Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Bergen umschlossenes Thal kam. Da kicherte das Bächlein in sich hinein: ,Haha! Hier will ich einen großen See bilden, ein Binnenmeer', und es suchte die Fläche zu bedecken. Doch es wurde kein See, nur ein Sumpf; denn das Wasser hatte keinen Abfluß; das Gras und die Bäume ringsum verfaulten; statt der lieblichen Vögel hausten nur giftige Kröten am Ufer und ein ungesunder Nebel lag schwer über dem Wasser, so daß die Sonne nicht durchzudringen vermochte. Niemand ahnte, daß der Ursprung dieses Sumpfs rein und klar gewesen war und daß der Bach am Wendepunkt seines Weges nur eine etwas andere Richtung hätte einschlagen brauchen, um segensreich dem Meere zuzuströmen."

Erst schwieg der Fremde, dann fuhr er fort:

"Sollte er sagen: ,Was liegt mir daran? Ich frage nur nach Gold und der Macht, die Menschen zu unterdrücken!' dann schweige still.

Aber sollte er wider Erwarten Dich anhören, so sage ihm weiter: "Der Morgen eines Tages mag grau und der Mittag düster und stürmisch sein, aber der Sonnenuntergang kann durch seine Herrlichkeit alles vergessen machen, so daß die Menschen sagen: ,Was für ein schöner Tag!' Für den Bach, der bergab geflossen ist, giebt es keine Umkehr, aber für die Seele des Menschen ist es nie zu spät."

"Dann wird er wohl spotten und sagen: ,Du

Bergen umschlossenes Thal kam. Da kicherte das Bächlein in sich hinein: ‚Haha! Hier will ich einen großen See bilden, ein Binnenmeer‘, und es suchte die Fläche zu bedecken. Doch es wurde kein See, nur ein Sumpf; denn das Wasser hatte keinen Abfluß; das Gras und die Bäume ringsum verfaulten; statt der lieblichen Vögel hausten nur giftige Kröten am Ufer und ein ungesunder Nebel lag schwer über dem Wasser, so daß die Sonne nicht durchzudringen vermochte. Niemand ahnte, daß der Ursprung dieses Sumpfs rein und klar gewesen war und daß der Bach am Wendepunkt seines Weges nur eine etwas andere Richtung hätte einschlagen brauchen, um segensreich dem Meere zuzuströmen.“

Erst schwieg der Fremde, dann fuhr er fort:

„Sollte er sagen: ‚Was liegt mir daran? Ich frage nur nach Gold und der Macht, die Menschen zu unterdrücken!‘ dann schweige still.

Aber sollte er wider Erwarten Dich anhören, so sage ihm weiter: „Der Morgen eines Tages mag grau und der Mittag düster und stürmisch sein, aber der Sonnenuntergang kann durch seine Herrlichkeit alles vergessen machen, so daß die Menschen sagen: ‚Was für ein schöner Tag!‘ Für den Bach, der bergab geflossen ist, giebt es keine Umkehr, aber für die Seele des Menschen ist es nie zu spät.

„Dann wird er wohl spotten und sagen: ‚Du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="80"/>
Bergen umschlossenes Thal kam. Da kicherte das Bächlein in sich hinein: &#x201A;Haha! Hier will ich einen großen See bilden, ein Binnenmeer&#x2018;, und es suchte die Fläche zu bedecken. Doch es wurde kein See, nur ein Sumpf; denn das Wasser hatte keinen Abfluß; das Gras und die Bäume ringsum verfaulten; statt der lieblichen Vögel hausten nur giftige Kröten am Ufer und ein ungesunder Nebel lag schwer über dem Wasser, so daß die Sonne nicht durchzudringen vermochte. Niemand ahnte, daß der Ursprung dieses Sumpfs rein und klar gewesen war und daß der Bach am Wendepunkt seines Weges nur eine etwas andere Richtung hätte einschlagen brauchen, um segensreich dem Meere zuzuströmen.&#x201C;</p>
        <p>Erst schwieg der Fremde, dann fuhr er fort:</p>
        <p>&#x201E;Sollte er sagen: &#x201A;Was liegt mir daran? Ich frage nur nach Gold und der Macht, die Menschen zu unterdrücken!&#x2018; dann schweige still.</p>
        <p>Aber sollte er wider Erwarten Dich anhören, so sage ihm weiter: &#x201E;Der Morgen eines Tages mag grau und der Mittag düster und stürmisch sein, aber der Sonnenuntergang kann durch seine Herrlichkeit alles vergessen machen, so daß die Menschen sagen: &#x201A;Was für ein schöner Tag!&#x2018; Für den Bach, der bergab geflossen ist, giebt es keine Umkehr, aber <hi rendition="#g">für die Seele des Menschen ist es nie zu spät.</hi>&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Dann wird er wohl spotten und sagen: &#x201A;Du
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0080] Bergen umschlossenes Thal kam. Da kicherte das Bächlein in sich hinein: ‚Haha! Hier will ich einen großen See bilden, ein Binnenmeer‘, und es suchte die Fläche zu bedecken. Doch es wurde kein See, nur ein Sumpf; denn das Wasser hatte keinen Abfluß; das Gras und die Bäume ringsum verfaulten; statt der lieblichen Vögel hausten nur giftige Kröten am Ufer und ein ungesunder Nebel lag schwer über dem Wasser, so daß die Sonne nicht durchzudringen vermochte. Niemand ahnte, daß der Ursprung dieses Sumpfs rein und klar gewesen war und daß der Bach am Wendepunkt seines Weges nur eine etwas andere Richtung hätte einschlagen brauchen, um segensreich dem Meere zuzuströmen.“ Erst schwieg der Fremde, dann fuhr er fort: „Sollte er sagen: ‚Was liegt mir daran? Ich frage nur nach Gold und der Macht, die Menschen zu unterdrücken!‘ dann schweige still. Aber sollte er wider Erwarten Dich anhören, so sage ihm weiter: „Der Morgen eines Tages mag grau und der Mittag düster und stürmisch sein, aber der Sonnenuntergang kann durch seine Herrlichkeit alles vergessen machen, so daß die Menschen sagen: ‚Was für ein schöner Tag!‘ Für den Bach, der bergab geflossen ist, giebt es keine Umkehr, aber für die Seele des Menschen ist es nie zu spät.“ „Dann wird er wohl spotten und sagen: ‚Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T10:10:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T10:10:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T10:10:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/80
Zitationshilfe: Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/80>, abgerufen am 25.11.2024.