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Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898.

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großherziger und einsichtiger als die Männer war, und das darüber nachzudenken begann, als sie das Fleisch eines Gefangenen verzehrte. Während die Männer wieder einmal um das Feuer gelagert waren, die grausame Mahlzeit zu halten, schlich sie sich aus dem Kreise, und als die Männer an den Baum gingen das Schlachtopfer zu holen, war der Gefangene fort. Da riefen allesamt: ,Das kann nur sie, sie allein gethan haben, die immer gesagt hat: Ich mag Menschenfleisch nicht anrühren, Menschen sind mir ähnlich, ich mag sie nicht essen. Dies Weib ist von Sinnen! tötet sie!' Und es geschah. Aber in den Köpfen anderer Weiber und Männer hatte der Gedanke Wurzel geschlagen, auch sie weigerten sich, Menschenfleisch zu essen; bald dachte die Hälfte des Stammes so, und schließlich aß keiner mehr davon. Selbst in jenen verschollenen Zeiten gab es schon solche, die zu uns gehörten, ja, daß ich ein Geheimnis offenbare, gab es solche Regungen, ehe noch der Mensch diese Erde bewohnte. Denn die riesenhaften Tiere der Urwelt, die nur noch in versteinerten Überresten vorhanden sind, wachten liebevoll über ihre Jungen, und die Vögel, deren Krallen sich in die weichen Felsen eingedrückt haben, begrüßten mit freudigem Schrei den Sonnenschein und riefen einander liebevoll zu. Selbst in jenen Zeiten, da es noch keinen Menschen gab, war schon eine

großherziger und einsichtiger als die Männer war, und das darüber nachzudenken begann, als sie das Fleisch eines Gefangenen verzehrte. Während die Männer wieder einmal um das Feuer gelagert waren, die grausame Mahlzeit zu halten, schlich sie sich aus dem Kreise, und als die Männer an den Baum gingen das Schlachtopfer zu holen, war der Gefangene fort. Da riefen allesamt: ‚Das kann nur sie, sie allein gethan haben, die immer gesagt hat: Ich mag Menschenfleisch nicht anrühren, Menschen sind mir ähnlich, ich mag sie nicht essen. Dies Weib ist von Sinnen! tötet sie!‘ Und es geschah. Aber in den Köpfen anderer Weiber und Männer hatte der Gedanke Wurzel geschlagen, auch sie weigerten sich, Menschenfleisch zu essen; bald dachte die Hälfte des Stammes so, und schließlich aß keiner mehr davon. Selbst in jenen verschollenen Zeiten gab es schon solche, die zu uns gehörten, ja, daß ich ein Geheimnis offenbare, gab es solche Regungen, ehe noch der Mensch diese Erde bewohnte. Denn die riesenhaften Tiere der Urwelt, die nur noch in versteinerten Überresten vorhanden sind, wachten liebevoll über ihre Jungen, und die Vögel, deren Krallen sich in die weichen Felsen eingedrückt haben, begrüßten mit freudigem Schrei den Sonnenschein und riefen einander liebevoll zu. Selbst in jenen Zeiten, da es noch keinen Menschen gab, war schon eine

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großherziger und einsichtiger als die Männer war, und das darüber nachzudenken begann, als sie das Fleisch eines Gefangenen verzehrte. Während die Männer wieder einmal um das Feuer gelagert waren, die grausame Mahlzeit zu halten, schlich sie sich aus dem Kreise, und als die Männer an den Baum gingen das Schlachtopfer zu holen, war der Gefangene fort. Da riefen allesamt: &#x201A;Das kann nur sie, sie allein gethan haben, die immer gesagt hat: Ich mag Menschenfleisch nicht anrühren, Menschen sind mir ähnlich, ich mag sie nicht essen. Dies Weib ist von Sinnen! tötet sie!&#x2018; Und es geschah. Aber in den Köpfen anderer Weiber und Männer hatte der Gedanke Wurzel geschlagen, auch sie weigerten sich, Menschenfleisch zu essen; bald dachte die Hälfte des Stammes so, und schließlich aß keiner mehr davon. Selbst in jenen verschollenen Zeiten gab es schon solche, die zu uns gehörten, ja, daß ich ein Geheimnis offenbare, gab es solche Regungen, ehe noch der Mensch diese Erde bewohnte. Denn die riesenhaften Tiere der Urwelt, die nur noch in versteinerten Überresten vorhanden sind, wachten liebevoll über ihre Jungen, und die Vögel, deren Krallen sich in die weichen Felsen eingedrückt haben, begrüßten mit freudigem Schrei den Sonnenschein und riefen einander liebevoll zu. Selbst in jenen Zeiten, da es noch keinen Menschen gab, war schon eine
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[67/0067] großherziger und einsichtiger als die Männer war, und das darüber nachzudenken begann, als sie das Fleisch eines Gefangenen verzehrte. Während die Männer wieder einmal um das Feuer gelagert waren, die grausame Mahlzeit zu halten, schlich sie sich aus dem Kreise, und als die Männer an den Baum gingen das Schlachtopfer zu holen, war der Gefangene fort. Da riefen allesamt: ‚Das kann nur sie, sie allein gethan haben, die immer gesagt hat: Ich mag Menschenfleisch nicht anrühren, Menschen sind mir ähnlich, ich mag sie nicht essen. Dies Weib ist von Sinnen! tötet sie!‘ Und es geschah. Aber in den Köpfen anderer Weiber und Männer hatte der Gedanke Wurzel geschlagen, auch sie weigerten sich, Menschenfleisch zu essen; bald dachte die Hälfte des Stammes so, und schließlich aß keiner mehr davon. Selbst in jenen verschollenen Zeiten gab es schon solche, die zu uns gehörten, ja, daß ich ein Geheimnis offenbare, gab es solche Regungen, ehe noch der Mensch diese Erde bewohnte. Denn die riesenhaften Tiere der Urwelt, die nur noch in versteinerten Überresten vorhanden sind, wachten liebevoll über ihre Jungen, und die Vögel, deren Krallen sich in die weichen Felsen eingedrückt haben, begrüßten mit freudigem Schrei den Sonnenschein und riefen einander liebevoll zu. Selbst in jenen Zeiten, da es noch keinen Menschen gab, war schon eine

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Zitationshilfe: Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/67>, abgerufen am 24.11.2024.