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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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17. -- 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
Wortes sind das bestimmte Ziel der jungfräulichen Ausbildung.
Wir verstehen darunter nicht etwa, dass sich die Jungfrau
und die dereinstige Hausfrau deshalb dem geselligen Leben
oder den höheren geistigen Genüssen entziehen solle, auch
nicht, wo es die Umstände in die Willkür stellen, bei allen
den verschiedenen häuslichen und wirthschaftlichen Beschäf-
tigungen selbst Hand anlege. Nein, sie soll das gesellige Um-
gangsleben, entsprechende geistige Genüsse und Beschäftigun-
gen mit häuslichem Sinne verbinden und in jedem Falle die
verschiedenen Zweige der häuslich-wirthschaftlichen Angelegen-
heiten richtig beurtheilen, leiten und überwachen können.
Wurzelt eine der Lebensstellung der Familie entsprechende
hohe und feine, selbst wissenschaftliche*) Bildung der Haus-
frau und reger Sinn für dergleichen Beschäftigungen und Ge-
nüsse auf dem Grunde der Häuslichkeit, so ist damit jede
naturwidrige Verbildung und Ueberbildung abgeschnitten und
darin für den Gatten und für die Kinder ein grosses Glück
zu erkennen. Fehlt dagegen die Grundlage der Häuslichkeit,
so entstehen freilich daraus weibliche Zerrbilder.

Soll daher die Jungfrau für ihren hohen Beruf würdig
vorbereitet und ausgerüstet werden, so wird sie zunächst mit
den verschiedenen Angelegenheiten des Hauswesens, mit den
feinen weiblichen Arbeiten, mit der Einrichtung und Instand-
haltung der beweglichen und unbeweglichen Gegenstände des
Hauses, mit Kochkunst (wohin auch die Bekanntschaft mit
den dahin einschlagenden physikalischen und chemischen Ge-
setzen, sowie gewisse naturgeschichtliche Kenntnisse gehören),
mit Gärtnerei u. s. w., ebenso aber auch wenigstens mit den
allgemeinsten und wesentlichsten Grundsätzen der Kinderpflege
und Kindererziehung (namentlich auch durch Benutzung jeder
Gelegenheit, das Kinderleben in verschiedenen Kreisen prak-
tisch kennen zu lernen) sich gründlich vertraut zu machen

*) Freilich sollte jeder anderen Wissenschaft ein möglichst gründliches
theoretisches und praktisches Studium der Erziehungswissenschaft, der ja von
der allgemeinen Weltordnung das ganze weibliche Interesse zunächst zuge-
wiesen ist, voranstehen.

17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
Wortes sind das bestimmte Ziel der jungfräulichen Ausbildung.
Wir verstehen darunter nicht etwa, dass sich die Jungfrau
und die dereinstige Hausfrau deshalb dem geselligen Leben
oder den höheren geistigen Genüssen entziehen solle, auch
nicht, wo es die Umstände in die Willkür stellen, bei allen
den verschiedenen häuslichen und wirthschaftlichen Beschäf-
tigungen selbst Hand anlege. Nein, sie soll das gesellige Um-
gangsleben, entsprechende geistige Genüsse und Beschäftigun-
gen mit häuslichem Sinne verbinden und in jedem Falle die
verschiedenen Zweige der häuslich-wirthschaftlichen Angelegen-
heiten richtig beurtheilen, leiten und überwachen können.
Wurzelt eine der Lebensstellung der Familie entsprechende
hohe und feine, selbst wissenschaftliche*) Bildung der Haus-
frau und reger Sinn für dergleichen Beschäftigungen und Ge-
nüsse auf dem Grunde der Häuslichkeit, so ist damit jede
naturwidrige Verbildung und Ueberbildung abgeschnitten und
darin für den Gatten und für die Kinder ein grosses Glück
zu erkennen. Fehlt dagegen die Grundlage der Häuslichkeit,
so entstehen freilich daraus weibliche Zerrbilder.

Soll daher die Jungfrau für ihren hohen Beruf würdig
vorbereitet und ausgerüstet werden, so wird sie zunächst mit
den verschiedenen Angelegenheiten des Hauswesens, mit den
feinen weiblichen Arbeiten, mit der Einrichtung und Instand-
haltung der beweglichen und unbeweglichen Gegenstände des
Hauses, mit Kochkunst (wohin auch die Bekanntschaft mit
den dahin einschlagenden physikalischen und chemischen Ge-
setzen, sowie gewisse naturgeschichtliche Kenntnisse gehören),
mit Gärtnerei u. s. w., ebenso aber auch wenigstens mit den
allgemeinsten und wesentlichsten Grundsätzen der Kinderpflege
und Kindererziehung (namentlich auch durch Benutzung jeder
Gelegenheit, das Kinderleben in verschiedenen Kreisen prak-
tisch kennen zu lernen) sich gründlich vertraut zu machen

*) Freilich sollte jeder anderen Wissenschaft ein möglichst gründliches
theoretisches und praktisches Studium der Erziehungswissenschaft, der ja von
der allgemeinen Weltordnung das ganze weibliche Interesse zunächst zuge-
wiesen ist, voranstehen.
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[301/0305] 17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE. Wortes sind das bestimmte Ziel der jungfräulichen Ausbildung. Wir verstehen darunter nicht etwa, dass sich die Jungfrau und die dereinstige Hausfrau deshalb dem geselligen Leben oder den höheren geistigen Genüssen entziehen solle, auch nicht, wo es die Umstände in die Willkür stellen, bei allen den verschiedenen häuslichen und wirthschaftlichen Beschäf- tigungen selbst Hand anlege. Nein, sie soll das gesellige Um- gangsleben, entsprechende geistige Genüsse und Beschäftigun- gen mit häuslichem Sinne verbinden und in jedem Falle die verschiedenen Zweige der häuslich-wirthschaftlichen Angelegen- heiten richtig beurtheilen, leiten und überwachen können. Wurzelt eine der Lebensstellung der Familie entsprechende hohe und feine, selbst wissenschaftliche *) Bildung der Haus- frau und reger Sinn für dergleichen Beschäftigungen und Ge- nüsse auf dem Grunde der Häuslichkeit, so ist damit jede naturwidrige Verbildung und Ueberbildung abgeschnitten und darin für den Gatten und für die Kinder ein grosses Glück zu erkennen. Fehlt dagegen die Grundlage der Häuslichkeit, so entstehen freilich daraus weibliche Zerrbilder. Soll daher die Jungfrau für ihren hohen Beruf würdig vorbereitet und ausgerüstet werden, so wird sie zunächst mit den verschiedenen Angelegenheiten des Hauswesens, mit den feinen weiblichen Arbeiten, mit der Einrichtung und Instand- haltung der beweglichen und unbeweglichen Gegenstände des Hauses, mit Kochkunst (wohin auch die Bekanntschaft mit den dahin einschlagenden physikalischen und chemischen Ge- setzen, sowie gewisse naturgeschichtliche Kenntnisse gehören), mit Gärtnerei u. s. w., ebenso aber auch wenigstens mit den allgemeinsten und wesentlichsten Grundsätzen der Kinderpflege und Kindererziehung (namentlich auch durch Benutzung jeder Gelegenheit, das Kinderleben in verschiedenen Kreisen prak- tisch kennen zu lernen) sich gründlich vertraut zu machen *) Freilich sollte jeder anderen Wissenschaft ein möglichst gründliches theoretisches und praktisches Studium der Erziehungswissenschaft, der ja von der allgemeinen Weltordnung das ganze weibliche Interesse zunächst zuge- wiesen ist, voranstehen.

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/305>, abgerufen am 24.11.2024.