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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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17. -- 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
zu bewähren, zu Gunsten des Allgemeinwohles zu genügen.
Es würde nicht schwer halten, durch die Art der Einrichtung
allen diesen Körperschaften den Nimbus der vollsten Ehren-
haftigkeit in den Augen der öffentlichen Meinung zu verschaf-
fen. Eine, freilich einer durchgreifenden Umgestaltung bedür-
fende Staatseinrichtung nach Art jener segensreichen Organi-
sation der Kadetten-Corps in der Schweiz -- eines Institutes,
welches die ganze männliche Jugend umfasst -- würde offen-
bar das radicalste Ersatzmittel sein. -- Wenn nun zugleich
für wirkliche Ehrenstreitigkeiten verantwortliche Ehrengerichte,
aus Standesgenossen gebildet, eingeführt, und alle Umgehun-
gen dieser Ehrengerichte durch besondere Brandmarkung ab-
geschnitten würden, so liesse sich vielleicht eine radicale Be-
seitigung des Duelles, jenes mittelalterlichen Ueberbleibsels,
hoffen. So lange aber für irgend ein nach dieser Richtung
hin wirkendes Ersatzmittel nicht gesorgt ist, wird man sich
wohl das Fortbestehen des Duell-Missbrauches gefallen lassen
müssen; und vom Gesichtspunkte des Staates aus dürfte die
Alternative wohl auch so stehen: immer noch besser, selbst
wenn sich auch hin und wieder einmal Einer den Kopf ein-
rennt, als dass aller männliche Sinn unter der Jugend erstirbt,
als dass Tausende geistig vertrocknen oder versumpfen. Un-
ter zwei Uebeln ist das kleinere stets das erträglichere, doch
wäre sehr zu wünschen, dass auch diesem die Grundwurzel
genommen würde: man schaffe dem Jünglinge wie es
nur irgend möglich, Gelegenheit, auf gesetzmässige
und wahrhaft edle Weise in Muthübungen zu er-
starken.
Wenn die Jünglinge zu lebenstüchtigen Män-
nern reifen sollen, so darf die Schule der Männlichkeit nicht
mangeln.

Sollen also die Ideale, welche der Jüngling in seinem In-
neren trägt, ihn auf die richtige Bahn führen, sollen sie frucht-
bringend für ihn und für die Welt werden, so muss er sie
nach Maassgabe der gegebenen Verhältnisse der Wirklichkeit
regeln, zügeln und ordnen, mit diesen in vollen Einklang zu
bringen suchen. So werden die auf seine praktische Wirk-
samkeit im Leben gerichteten Ideale ihn zunächst auf ächten

17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
zu bewähren, zu Gunsten des Allgemeinwohles zu genügen.
Es würde nicht schwer halten, durch die Art der Einrichtung
allen diesen Körperschaften den Nimbus der vollsten Ehren-
haftigkeit in den Augen der öffentlichen Meinung zu verschaf-
fen. Eine, freilich einer durchgreifenden Umgestaltung bedür-
fende Staatseinrichtung nach Art jener segensreichen Organi-
sation der Kadetten-Corps in der Schweiz — eines Institutes,
welches die ganze männliche Jugend umfasst — würde offen-
bar das radicalste Ersatzmittel sein. — Wenn nun zugleich
für wirkliche Ehrenstreitigkeiten verantwortliche Ehrengerichte,
aus Standesgenossen gebildet, eingeführt, und alle Umgehun-
gen dieser Ehrengerichte durch besondere Brandmarkung ab-
geschnitten würden, so liesse sich vielleicht eine radicale Be-
seitigung des Duelles, jenes mittelalterlichen Ueberbleibsels,
hoffen. So lange aber für irgend ein nach dieser Richtung
hin wirkendes Ersatzmittel nicht gesorgt ist, wird man sich
wohl das Fortbestehen des Duell-Missbrauches gefallen lassen
müssen; und vom Gesichtspunkte des Staates aus dürfte die
Alternative wohl auch so stehen: immer noch besser, selbst
wenn sich auch hin und wieder einmal Einer den Kopf ein-
rennt, als dass aller männliche Sinn unter der Jugend erstirbt,
als dass Tausende geistig vertrocknen oder versumpfen. Un-
ter zwei Uebeln ist das kleinere stets das erträglichere, doch
wäre sehr zu wünschen, dass auch diesem die Grundwurzel
genommen würde: man schaffe dem Jünglinge wie es
nur irgend möglich, Gelegenheit, auf gesetzmässige
und wahrhaft edle Weise in Muthübungen zu er-
starken.
Wenn die Jünglinge zu lebenstüchtigen Män-
nern reifen sollen, so darf die Schule der Männlichkeit nicht
mangeln.

Sollen also die Ideale, welche der Jüngling in seinem In-
neren trägt, ihn auf die richtige Bahn führen, sollen sie frucht-
bringend für ihn und für die Welt werden, so muss er sie
nach Maassgabe der gegebenen Verhältnisse der Wirklichkeit
regeln, zügeln und ordnen, mit diesen in vollen Einklang zu
bringen suchen. So werden die auf seine praktische Wirk-
samkeit im Leben gerichteten Ideale ihn zunächst auf ächten

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[298/0302] 17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE. zu bewähren, zu Gunsten des Allgemeinwohles zu genügen. Es würde nicht schwer halten, durch die Art der Einrichtung allen diesen Körperschaften den Nimbus der vollsten Ehren- haftigkeit in den Augen der öffentlichen Meinung zu verschaf- fen. Eine, freilich einer durchgreifenden Umgestaltung bedür- fende Staatseinrichtung nach Art jener segensreichen Organi- sation der Kadetten-Corps in der Schweiz — eines Institutes, welches die ganze männliche Jugend umfasst — würde offen- bar das radicalste Ersatzmittel sein. — Wenn nun zugleich für wirkliche Ehrenstreitigkeiten verantwortliche Ehrengerichte, aus Standesgenossen gebildet, eingeführt, und alle Umgehun- gen dieser Ehrengerichte durch besondere Brandmarkung ab- geschnitten würden, so liesse sich vielleicht eine radicale Be- seitigung des Duelles, jenes mittelalterlichen Ueberbleibsels, hoffen. So lange aber für irgend ein nach dieser Richtung hin wirkendes Ersatzmittel nicht gesorgt ist, wird man sich wohl das Fortbestehen des Duell-Missbrauches gefallen lassen müssen; und vom Gesichtspunkte des Staates aus dürfte die Alternative wohl auch so stehen: immer noch besser, selbst wenn sich auch hin und wieder einmal Einer den Kopf ein- rennt, als dass aller männliche Sinn unter der Jugend erstirbt, als dass Tausende geistig vertrocknen oder versumpfen. Un- ter zwei Uebeln ist das kleinere stets das erträglichere, doch wäre sehr zu wünschen, dass auch diesem die Grundwurzel genommen würde: man schaffe dem Jünglinge wie es nur irgend möglich, Gelegenheit, auf gesetzmässige und wahrhaft edle Weise in Muthübungen zu er- starken. Wenn die Jünglinge zu lebenstüchtigen Män- nern reifen sollen, so darf die Schule der Männlichkeit nicht mangeln. Sollen also die Ideale, welche der Jüngling in seinem In- neren trägt, ihn auf die richtige Bahn führen, sollen sie frucht- bringend für ihn und für die Welt werden, so muss er sie nach Maassgabe der gegebenen Verhältnisse der Wirklichkeit regeln, zügeln und ordnen, mit diesen in vollen Einklang zu bringen suchen. So werden die auf seine praktische Wirk- samkeit im Leben gerichteten Ideale ihn zunächst auf ächten

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/302>, abgerufen am 24.11.2024.