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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8. -- 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
und Heuchelei? Die Hand auf's Herz, wer Lebenserfahrung
hat, kann dem nicht widersprechen.

Der Gegenstand ist zu wichtig, als dass wir nicht ver-
suchen sollten, den Plan bis in's Einzelne zu verfolgen und
zu entwerfen, wodurch wir nach Maassgabe des kindlichen
Geisteslebens uns gegen jene gefährlichen Klippen am besten
sichern und das wahre Ziel erreichen können. Dieser Plan
würde etwa in Folgendem anschaulich werden.

Sobald die religiösen Elementarbegriffe durch den Unter-
richt gegeben sind, werde also das Kind zu den Religionsübun-
gen der Familie herangezogen, und zwar muss dies in einer
Weise geschehen, dass das Kind darin eine Erhebung seiner
selbst auf eine höhere Lebensstufe erkennt. Fehlt ein oder
das andere Mal die bereitwillige Stimmung, so ist es besser,
das Kind für dieses Mal geistig fasten zu lassen, als es direct
zu nöthigen. Ist die geistige Grundlage des Kindes eine gute,
so wird dies sich nicht leicht wiederholen, denn es erkennt
darin, ohne dass ein Wort darüber zu fallen braucht, sehr
wohl die beschämende Zurücksetzung. -- Das dem Kinde
wahrhaft heilsame Maass der Religionsübungen bewegt sich
in engen Grenzen, etwa durchschnittlich wie folgt:

An einem Sonntage jedes Monates und ausserdem an
besonders wichtigen Tagen des Jahres eine kurze re-
ligiöse Betrachtung oder sonstige Andachtsfeier im en-
gen Familienkreise. Dabei werde dem Kinde in öfters
zu erneuernden sanften Erinnerungen an's Herz gelegt
sich zu gewöhnen, am Schlusse jedes Tages ganz für
sich im Geiste einen Augenblick vor Gott zu treten,
dabei die Gesinnungen und Handlungen des Tages zu
überblicken (was durch die Uebungen in der Selbster-
kenntniss ihm erleichtert worden ist), um so an den
reinen Strahlen des Gottesbegriffes (des liebenden All-
vaters) sein Inneres abzuspiegeln und durch geläuterte
Willenskraft belohnt zu werden. Ein ebenfalls stiller,
freudig dankender Aufblick weihe den Morgen. Zu
dieser Morgen- und Abend-Andacht genügt ein geisti-
ger Blick nach oben ohne Worte.

8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
und Heuchelei? Die Hand auf's Herz, wer Lebenserfahrung
hat, kann dem nicht widersprechen.

Der Gegenstand ist zu wichtig, als dass wir nicht ver-
suchen sollten, den Plan bis in's Einzelne zu verfolgen und
zu entwerfen, wodurch wir nach Maassgabe des kindlichen
Geisteslebens uns gegen jene gefährlichen Klippen am besten
sichern und das wahre Ziel erreichen können. Dieser Plan
würde etwa in Folgendem anschaulich werden.

Sobald die religiösen Elementarbegriffe durch den Unter-
richt gegeben sind, werde also das Kind zu den Religionsübun-
gen der Familie herangezogen, und zwar muss dies in einer
Weise geschehen, dass das Kind darin eine Erhebung seiner
selbst auf eine höhere Lebensstufe erkennt. Fehlt ein oder
das andere Mal die bereitwillige Stimmung, so ist es besser,
das Kind für dieses Mal geistig fasten zu lassen, als es direct
zu nöthigen. Ist die geistige Grundlage des Kindes eine gute,
so wird dies sich nicht leicht wiederholen, denn es erkennt
darin, ohne dass ein Wort darüber zu fallen braucht, sehr
wohl die beschämende Zurücksetzung. — Das dem Kinde
wahrhaft heilsame Maass der Religionsübungen bewegt sich
in engen Grenzen, etwa durchschnittlich wie folgt:

An einem Sonntage jedes Monates und ausserdem an
besonders wichtigen Tagen des Jahres eine kurze re-
ligiöse Betrachtung oder sonstige Andachtsfeier im en-
gen Familienkreise. Dabei werde dem Kinde in öfters
zu erneuernden sanften Erinnerungen an's Herz gelegt
sich zu gewöhnen, am Schlusse jedes Tages ganz für
sich im Geiste einen Augenblick vor Gott zu treten,
dabei die Gesinnungen und Handlungen des Tages zu
überblicken (was durch die Uebungen in der Selbster-
kenntniss ihm erleichtert worden ist), um so an den
reinen Strahlen des Gottesbegriffes (des liebenden All-
vaters) sein Inneres abzuspiegeln und durch geläuterte
Willenskraft belohnt zu werden. Ein ebenfalls stiller,
freudig dankender Aufblick weihe den Morgen. Zu
dieser Morgen- und Abend-Andacht genügt ein geisti-
ger Blick nach oben ohne Worte.

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[249/0253] 8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. und Heuchelei? Die Hand auf's Herz, wer Lebenserfahrung hat, kann dem nicht widersprechen. Der Gegenstand ist zu wichtig, als dass wir nicht ver- suchen sollten, den Plan bis in's Einzelne zu verfolgen und zu entwerfen, wodurch wir nach Maassgabe des kindlichen Geisteslebens uns gegen jene gefährlichen Klippen am besten sichern und das wahre Ziel erreichen können. Dieser Plan würde etwa in Folgendem anschaulich werden. Sobald die religiösen Elementarbegriffe durch den Unter- richt gegeben sind, werde also das Kind zu den Religionsübun- gen der Familie herangezogen, und zwar muss dies in einer Weise geschehen, dass das Kind darin eine Erhebung seiner selbst auf eine höhere Lebensstufe erkennt. Fehlt ein oder das andere Mal die bereitwillige Stimmung, so ist es besser, das Kind für dieses Mal geistig fasten zu lassen, als es direct zu nöthigen. Ist die geistige Grundlage des Kindes eine gute, so wird dies sich nicht leicht wiederholen, denn es erkennt darin, ohne dass ein Wort darüber zu fallen braucht, sehr wohl die beschämende Zurücksetzung. — Das dem Kinde wahrhaft heilsame Maass der Religionsübungen bewegt sich in engen Grenzen, etwa durchschnittlich wie folgt: An einem Sonntage jedes Monates und ausserdem an besonders wichtigen Tagen des Jahres eine kurze re- ligiöse Betrachtung oder sonstige Andachtsfeier im en- gen Familienkreise. Dabei werde dem Kinde in öfters zu erneuernden sanften Erinnerungen an's Herz gelegt sich zu gewöhnen, am Schlusse jedes Tages ganz für sich im Geiste einen Augenblick vor Gott zu treten, dabei die Gesinnungen und Handlungen des Tages zu überblicken (was durch die Uebungen in der Selbster- kenntniss ihm erleichtert worden ist), um so an den reinen Strahlen des Gottesbegriffes (des liebenden All- vaters) sein Inneres abzuspiegeln und durch geläuterte Willenskraft belohnt zu werden. Ein ebenfalls stiller, freudig dankender Aufblick weihe den Morgen. Zu dieser Morgen- und Abend-Andacht genügt ein geisti- ger Blick nach oben ohne Worte.

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/253>, abgerufen am 22.11.2024.