Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

8. -- 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF.
halten muss, lehrt die allen Aerzten bekannte traurige Häufig-
keit heimlicher geschlechtlicher Verirrungen von Knaben so-
wohl wie von Mädchen. Schon deshalb, aber auch aus all-
gemeinen Gesundheitsrücksichten ist, wenn dies nicht schon
früher geschehen, von nun an das Schlafen in ungeheitzten
Zimmern unbedingt vorzuziehen.

Es ist aber auch nicht gleichgiltig, zu welcher Zeit die
bestimmte Zahl von Stunden abgeschlafen wird. Wenn sich
auch der Erwachsene in abweichende Gewohnheiten der Art
nach und nach hineinleben kann (ob ohne allen Nachtheil für
seinen Lebenszustand überhaupt, ist noch die Frage), so ist
dies doch entschieden nicht der Fall im kindlichen Alter.
Nur diejenige Lebensordnung ist die natürliche, welche sich
dem Wechsel von Tag und Nacht möglichst anschliesst.
Dass die Nachtzeit vorzugsweise günstig ist den gerade im
Schlafe vor sich gehen sollenden inneren, ausgleichenden
Functionen des Lebens (namentlich der Ernährung), bewei-
sen am deutlichsten viele krankhafte (besonders fieberhafte)
Zustände, für deren regelmässige Verschlimmerung zur Nacht-
zeit durchaus kein anderer Grund sich angeben lässt. Für die
kindliche Entwickelung ist daher diejenige Schlafzeit die ge-
deihlichste, wobei mindestens noch drei Stunden vor
Mitternacht
fallen, und das Kind in der frühen Morgen-
zeit zu einer bestimmten Stunde aufsteht. Von einem
Zwischenschlafe, dessen das Kind nur während der ersten 3--4
Lebensjahre bedarf, kann jetzt nicht mehr die Rede sein.

Es wurde früher bereits nachgewiesen, dass auf die ganze
Dauer der Wachsthumsperiode die Art der Lage während
des Schlafes entschiedenen Einfluss auf die Körperausbildung
hat, und das die Lage auf dem Rücken diejenige ist, welche
allen Gesundheitsrücksichten am vollkommensten entspricht
(s. S. 82). Für die früheren Altersperioden konnte es als ge-
nügend betrachtet werden, wenn durch regelmässiges Beobach-
ten und, wo nöthig, Wenden des schlafenden Kindes auf die
allmälige Bildung dieser Gewohnheit hingewirkt wurde. Jetzt
aber genügt dies nicht mehr. Wenn bei einem Kinde, welches
bereits das siebente oder achte Jahr überschritten hat, irgend

8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF.
halten muss, lehrt die allen Aerzten bekannte traurige Häufig-
keit heimlicher geschlechtlicher Verirrungen von Knaben so-
wohl wie von Mädchen. Schon deshalb, aber auch aus all-
gemeinen Gesundheitsrücksichten ist, wenn dies nicht schon
früher geschehen, von nun an das Schlafen in ungeheitzten
Zimmern unbedingt vorzuziehen.

Es ist aber auch nicht gleichgiltig, zu welcher Zeit die
bestimmte Zahl von Stunden abgeschlafen wird. Wenn sich
auch der Erwachsene in abweichende Gewohnheiten der Art
nach und nach hineinleben kann (ob ohne allen Nachtheil für
seinen Lebenszustand überhaupt, ist noch die Frage), so ist
dies doch entschieden nicht der Fall im kindlichen Alter.
Nur diejenige Lebensordnung ist die natürliche, welche sich
dem Wechsel von Tag und Nacht möglichst anschliesst.
Dass die Nachtzeit vorzugsweise günstig ist den gerade im
Schlafe vor sich gehen sollenden inneren, ausgleichenden
Functionen des Lebens (namentlich der Ernährung), bewei-
sen am deutlichsten viele krankhafte (besonders fieberhafte)
Zustände, für deren regelmässige Verschlimmerung zur Nacht-
zeit durchaus kein anderer Grund sich angeben lässt. Für die
kindliche Entwickelung ist daher diejenige Schlafzeit die ge-
deihlichste, wobei mindestens noch drei Stunden vor
Mitternacht
fallen, und das Kind in der frühen Morgen-
zeit zu einer bestimmten Stunde aufsteht. Von einem
Zwischenschlafe, dessen das Kind nur während der ersten 3—4
Lebensjahre bedarf, kann jetzt nicht mehr die Rede sein.

Es wurde früher bereits nachgewiesen, dass auf die ganze
Dauer der Wachsthumsperiode die Art der Lage während
des Schlafes entschiedenen Einfluss auf die Körperausbildung
hat, und das die Lage auf dem Rücken diejenige ist, welche
allen Gesundheitsrücksichten am vollkommensten entspricht
(s. S. 82). Für die früheren Altersperioden konnte es als ge-
nügend betrachtet werden, wenn durch regelmässiges Beobach-
ten und, wo nöthig, Wenden des schlafenden Kindes auf die
allmälige Bildung dieser Gewohnheit hingewirkt wurde. Jetzt
aber genügt dies nicht mehr. Wenn bei einem Kinde, welches
bereits das siebente oder achte Jahr überschritten hat, irgend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0177" n="173"/><fw place="top" type="header">8. &#x2014; 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF.</fw><lb/>
halten muss, lehrt die allen Aerzten bekannte traurige Häufig-<lb/>
keit heimlicher geschlechtlicher Verirrungen von Knaben so-<lb/>
wohl wie von Mädchen. Schon deshalb, aber auch aus all-<lb/>
gemeinen Gesundheitsrücksichten ist, wenn dies nicht schon<lb/>
früher geschehen, von nun an das Schlafen in <hi rendition="#g">ungeheitzten</hi><lb/>
Zimmern unbedingt vorzuziehen.</p><lb/>
            <p>Es ist aber auch nicht gleichgiltig, zu welcher Zeit die<lb/>
bestimmte Zahl von Stunden abgeschlafen wird. Wenn sich<lb/>
auch der Erwachsene in abweichende Gewohnheiten der Art<lb/>
nach und nach hineinleben kann (ob ohne allen Nachtheil für<lb/>
seinen Lebenszustand überhaupt, ist noch die Frage), so ist<lb/>
dies doch entschieden nicht der Fall im kindlichen Alter.<lb/>
Nur diejenige Lebensordnung ist die natürliche, welche sich<lb/>
dem Wechsel von Tag und Nacht möglichst anschliesst.<lb/>
Dass die Nachtzeit vorzugsweise günstig ist den gerade im<lb/>
Schlafe vor sich gehen sollenden inneren, ausgleichenden<lb/>
Functionen des Lebens (namentlich der Ernährung), bewei-<lb/>
sen am deutlichsten viele krankhafte (besonders fieberhafte)<lb/>
Zustände, für deren regelmässige Verschlimmerung zur Nacht-<lb/>
zeit durchaus kein anderer Grund sich angeben lässt. Für die<lb/>
kindliche Entwickelung ist daher diejenige Schlafzeit die ge-<lb/>
deihlichste, wobei <hi rendition="#g">mindestens noch drei Stunden vor<lb/>
Mitternacht</hi> fallen, und das Kind in der frühen Morgen-<lb/>
zeit <hi rendition="#g">zu einer bestimmten Stunde</hi> aufsteht. Von einem<lb/>
Zwischenschlafe, dessen das Kind nur während der ersten 3&#x2014;4<lb/>
Lebensjahre bedarf, kann jetzt nicht mehr die Rede sein.</p><lb/>
            <p>Es wurde früher bereits nachgewiesen, dass auf die ganze<lb/>
Dauer der Wachsthumsperiode die Art der <hi rendition="#g">Lage</hi> während<lb/>
des Schlafes entschiedenen Einfluss auf die Körperausbildung<lb/>
hat, und das die Lage <hi rendition="#g">auf dem Rücken</hi> diejenige ist, welche<lb/>
allen Gesundheitsrücksichten am vollkommensten entspricht<lb/>
(s. S. 82). Für die früheren Altersperioden konnte es als ge-<lb/>
nügend betrachtet werden, wenn durch regelmässiges Beobach-<lb/>
ten und, wo nöthig, Wenden des schlafenden Kindes auf die<lb/>
allmälige Bildung dieser Gewohnheit hingewirkt wurde. Jetzt<lb/>
aber genügt dies nicht mehr. Wenn bei einem Kinde, welches<lb/>
bereits das siebente oder achte Jahr überschritten hat, irgend<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0177] 8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF. halten muss, lehrt die allen Aerzten bekannte traurige Häufig- keit heimlicher geschlechtlicher Verirrungen von Knaben so- wohl wie von Mädchen. Schon deshalb, aber auch aus all- gemeinen Gesundheitsrücksichten ist, wenn dies nicht schon früher geschehen, von nun an das Schlafen in ungeheitzten Zimmern unbedingt vorzuziehen. Es ist aber auch nicht gleichgiltig, zu welcher Zeit die bestimmte Zahl von Stunden abgeschlafen wird. Wenn sich auch der Erwachsene in abweichende Gewohnheiten der Art nach und nach hineinleben kann (ob ohne allen Nachtheil für seinen Lebenszustand überhaupt, ist noch die Frage), so ist dies doch entschieden nicht der Fall im kindlichen Alter. Nur diejenige Lebensordnung ist die natürliche, welche sich dem Wechsel von Tag und Nacht möglichst anschliesst. Dass die Nachtzeit vorzugsweise günstig ist den gerade im Schlafe vor sich gehen sollenden inneren, ausgleichenden Functionen des Lebens (namentlich der Ernährung), bewei- sen am deutlichsten viele krankhafte (besonders fieberhafte) Zustände, für deren regelmässige Verschlimmerung zur Nacht- zeit durchaus kein anderer Grund sich angeben lässt. Für die kindliche Entwickelung ist daher diejenige Schlafzeit die ge- deihlichste, wobei mindestens noch drei Stunden vor Mitternacht fallen, und das Kind in der frühen Morgen- zeit zu einer bestimmten Stunde aufsteht. Von einem Zwischenschlafe, dessen das Kind nur während der ersten 3—4 Lebensjahre bedarf, kann jetzt nicht mehr die Rede sein. Es wurde früher bereits nachgewiesen, dass auf die ganze Dauer der Wachsthumsperiode die Art der Lage während des Schlafes entschiedenen Einfluss auf die Körperausbildung hat, und das die Lage auf dem Rücken diejenige ist, welche allen Gesundheitsrücksichten am vollkommensten entspricht (s. S. 82). Für die früheren Altersperioden konnte es als ge- nügend betrachtet werden, wenn durch regelmässiges Beobach- ten und, wo nöthig, Wenden des schlafenden Kindes auf die allmälige Bildung dieser Gewohnheit hingewirkt wurde. Jetzt aber genügt dies nicht mehr. Wenn bei einem Kinde, welches bereits das siebente oder achte Jahr überschritten hat, irgend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/177
Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/177>, abgerufen am 21.11.2024.