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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8. -- 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
überhaupt am sichersten geschützt durch consequentes Fest-
halten jener Regel, dass ausser den bestimmten Esszeiten
ihnen nie weiter Etwas als Wasser gereicht wird, der Ge-
danke an etwas Anderes also gar nicht aufkommen kann.
Leider wird aber diese Regel selten consequent gehalten. Die
Folgen sind auf moralischer wie physischer Seite gleich nach-
theilig. Weiss ein Kind, dass einem solchen Wunsche von
irgend einer Seite doch endlich nachgegeben wird, so schleicht
sich sehr bald die Unmässigkeit ein. Das Kind kommt zu
seinen regelmässigen Mahlzeiten oft nur mit halbem Appe-
tite, nimmt von den ihm zuträglichsten Nahrungsmitteln, wenn
sie seinem immer wählerischer werdenden Gaumen nicht recht
zusagen, nur wenig oder nichts zu sich und hält sich dafür
desto mehr an die weniger gedeihlichen Zwischenmahlzeiten.
Die unmittelbare Folge davon ist unvollkommene, krankhafte
Blutbildung. Dieser allgemein verbreitete Fehler der Kinder-
zucht ist als eine der Hauptwurzeln der Kränklichkeit und
Schwächlichkeit unserer Jugend zu erkennen. Eine gesunde
Körperernährung ist die erste Bedingung des Aufblühens. Wo
gesundes, kräftiges Blut durch einfache gute Nahrung, tüchtige
Bewegung und reine Luft gebildet durch die Adern strömt,
da wird auch manche erhöhte Anforderung der Zeit (z. B. gei-
stige Anspannung u. dgl.), die unsere blutarme Jugend nieder-
drückt, weit eher überwunden werden können.

Wir nehmen an, dass das Kind schon in der vorher-
gehenden Altersperiode von jenen wählerischen Launen in Be-
treff der Speisen durch feste Consequenz gereinigt worden
war (vgl. S. 76). Sollte noch jetzt Etwas der Art auftauchen,
so müsste mit um so entschiedenerem Nachdrucke entgegen-
gewirkt werden; denn ausserdem entstehen daraus oft unüber-
steigliche Hindernisse einer gleichmässigen und gesunden Kör-
perernährung. Dies ist am nothwendigsten in Ansehung der
Hauptmahlzeit, die in unseren Gegenden meistentheils auf den
Mittag fällt. Dadurch, dass wir für diese auch den Haupt-
Appetit zu erhalten suchen, begünstigen wir, wie schon früher
bemerkt, die Zuführung der dem kindlichen Körper gedeih-
lichsten Nahrung am meisten. Da nun ohnedies für die jetzige


8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
überhaupt am sichersten geschützt durch consequentes Fest-
halten jener Regel, dass ausser den bestimmten Esszeiten
ihnen nie weiter Etwas als Wasser gereicht wird, der Ge-
danke an etwas Anderes also gar nicht aufkommen kann.
Leider wird aber diese Regel selten consequent gehalten. Die
Folgen sind auf moralischer wie physischer Seite gleich nach-
theilig. Weiss ein Kind, dass einem solchen Wunsche von
irgend einer Seite doch endlich nachgegeben wird, so schleicht
sich sehr bald die Unmässigkeit ein. Das Kind kommt zu
seinen regelmässigen Mahlzeiten oft nur mit halbem Appe-
tite, nimmt von den ihm zuträglichsten Nahrungsmitteln, wenn
sie seinem immer wählerischer werdenden Gaumen nicht recht
zusagen, nur wenig oder nichts zu sich und hält sich dafür
desto mehr an die weniger gedeihlichen Zwischenmahlzeiten.
Die unmittelbare Folge davon ist unvollkommene, krankhafte
Blutbildung. Dieser allgemein verbreitete Fehler der Kinder-
zucht ist als eine der Hauptwurzeln der Kränklichkeit und
Schwächlichkeit unserer Jugend zu erkennen. Eine gesunde
Körperernährung ist die erste Bedingung des Aufblühens. Wo
gesundes, kräftiges Blut durch einfache gute Nahrung, tüchtige
Bewegung und reine Luft gebildet durch die Adern strömt,
da wird auch manche erhöhte Anforderung der Zeit (z. B. gei-
stige Anspannung u. dgl.), die unsere blutarme Jugend nieder-
drückt, weit eher überwunden werden können.

Wir nehmen an, dass das Kind schon in der vorher-
gehenden Altersperiode von jenen wählerischen Launen in Be-
treff der Speisen durch feste Consequenz gereinigt worden
war (vgl. S. 76). Sollte noch jetzt Etwas der Art auftauchen,
so müsste mit um so entschiedenerem Nachdrucke entgegen-
gewirkt werden; denn ausserdem entstehen daraus oft unüber-
steigliche Hindernisse einer gleichmässigen und gesunden Kör-
perernährung. Dies ist am nothwendigsten in Ansehung der
Hauptmahlzeit, die in unseren Gegenden meistentheils auf den
Mittag fällt. Dadurch, dass wir für diese auch den Haupt-
Appetit zu erhalten suchen, begünstigen wir, wie schon früher
bemerkt, die Zuführung der dem kindlichen Körper gedeih-
lichsten Nahrung am meisten. Da nun ohnedies für die jetzige

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[167/0171] 8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG. überhaupt am sichersten geschützt durch consequentes Fest- halten jener Regel, dass ausser den bestimmten Esszeiten ihnen nie weiter Etwas als Wasser gereicht wird, der Ge- danke an etwas Anderes also gar nicht aufkommen kann. Leider wird aber diese Regel selten consequent gehalten. Die Folgen sind auf moralischer wie physischer Seite gleich nach- theilig. Weiss ein Kind, dass einem solchen Wunsche von irgend einer Seite doch endlich nachgegeben wird, so schleicht sich sehr bald die Unmässigkeit ein. Das Kind kommt zu seinen regelmässigen Mahlzeiten oft nur mit halbem Appe- tite, nimmt von den ihm zuträglichsten Nahrungsmitteln, wenn sie seinem immer wählerischer werdenden Gaumen nicht recht zusagen, nur wenig oder nichts zu sich und hält sich dafür desto mehr an die weniger gedeihlichen Zwischenmahlzeiten. Die unmittelbare Folge davon ist unvollkommene, krankhafte Blutbildung. Dieser allgemein verbreitete Fehler der Kinder- zucht ist als eine der Hauptwurzeln der Kränklichkeit und Schwächlichkeit unserer Jugend zu erkennen. Eine gesunde Körperernährung ist die erste Bedingung des Aufblühens. Wo gesundes, kräftiges Blut durch einfache gute Nahrung, tüchtige Bewegung und reine Luft gebildet durch die Adern strömt, da wird auch manche erhöhte Anforderung der Zeit (z. B. gei- stige Anspannung u. dgl.), die unsere blutarme Jugend nieder- drückt, weit eher überwunden werden können. Wir nehmen an, dass das Kind schon in der vorher- gehenden Altersperiode von jenen wählerischen Launen in Be- treff der Speisen durch feste Consequenz gereinigt worden war (vgl. S. 76). Sollte noch jetzt Etwas der Art auftauchen, so müsste mit um so entschiedenerem Nachdrucke entgegen- gewirkt werden; denn ausserdem entstehen daraus oft unüber- steigliche Hindernisse einer gleichmässigen und gesunden Kör- perernährung. Dies ist am nothwendigsten in Ansehung der Hauptmahlzeit, die in unseren Gegenden meistentheils auf den Mittag fällt. Dadurch, dass wir für diese auch den Haupt- Appetit zu erhalten suchen, begünstigen wir, wie schon früher bemerkt, die Zuführung der dem kindlichen Körper gedeih- lichsten Nahrung am meisten. Da nun ohnedies für die jetzige

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/171>, abgerufen am 21.11.2024.