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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
rung ist der heilsame Reiz, welcher Lust und Kraft zur wei-
teren Ausbildung steigert.

Um diesen natürlichen Gang der Entwickelung der Denk-
kraft nicht zu durchkreuzen und zu verwirren, haben wir also
immer als eine Hauptbedingung die zu betrachten: dass wir
im Umgange mit Kindern dieser Altersstufe uns möglichst
innerhalb des Bereiches derjenigen Begriffe halten,
die für sie direct und schnell fasslich sind, also der
aus sinnlichen Vorstellungen hergeleiteten,
dagegen
von allem Ausser- und Uebersinnlichen absehen
müssen.

Dies führt uns auf die hochwichtige Erziehungsfrage:
Soll das Kind schon in diesem Alter auf Religions-
begriffe hingelenkt und zu einigen Religionsübun-
gen herbeigezogen werden
? -- eine Frage, deren ent-
schiedene Verneinung aus Obigem hervorgeht. Die gute Ab-
sicht vieler Aeltern und Lehrer, die Keime der Religiosität
recht tief in das kindliche Herz einzupflanzen, wird durch
vorzeitiges Beginnen verfehlt, statt des gewünschten Erfolges
das Gegentheil, Abstumpfung und sogar Abneigung, bewirkt,
welche auch noch in die Altersperiode hinüberreicht, in der
das Kind seiner natürlichen Entwickelung nach für die höhere
geistige Nahrung befähigt wäre.

Die Ahnung des Göttlichen, das dunkle Gottesbewustsein,
ist als der edelste Keim des menschlichen Geistes demselben
angeboren. Dies beweisen selbst die noch auf der Stufe der
Kindheit stehenden culturlosesten Völker. Diese Ahnung,
unterstützt von dem natürlichen Bedürfnisse des Kindes den
Kreis seiner Gefühle und Begriffe zu erweitern, erzeugt in
ihm nach und nach eine Sehnsucht, ein Suchen nach Gott.
Hiermit ist erst der rechte Zeitpunkt der geistigen Ausbildung ge-
kommen, welcher ein behutsames Einführen in das Heiligthum
der Religion gestattet und einen wahrhaft gedeihlichen Erfolg
davon hoffen lässt. Dies fällt aber gewöhnlich erst in die-
jenige Entwickelungszeit, wo ein etwas ernsteres Anschauen
und Prüfen der Dinge beginnt, gegen das 8. oder 9. Jahr.

Soll nun aber bis dahin von der kindlichen Seele Alles

2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
rung ist der heilsame Reiz, welcher Lust und Kraft zur wei-
teren Ausbildung steigert.

Um diesen natürlichen Gang der Entwickelung der Denk-
kraft nicht zu durchkreuzen und zu verwirren, haben wir also
immer als eine Hauptbedingung die zu betrachten: dass wir
im Umgange mit Kindern dieser Altersstufe uns möglichst
innerhalb des Bereiches derjenigen Begriffe halten,
die für sie direct und schnell fasslich sind, also der
aus sinnlichen Vorstellungen hergeleiteten,
dagegen
von allem Ausser- und Uebersinnlichen absehen
müssen.

Dies führt uns auf die hochwichtige Erziehungsfrage:
Soll das Kind schon in diesem Alter auf Religions-
begriffe hingelenkt und zu einigen Religionsübun-
gen herbeigezogen werden
? — eine Frage, deren ent-
schiedene Verneinung aus Obigem hervorgeht. Die gute Ab-
sicht vieler Aeltern und Lehrer, die Keime der Religiosität
recht tief in das kindliche Herz einzupflanzen, wird durch
vorzeitiges Beginnen verfehlt, statt des gewünschten Erfolges
das Gegentheil, Abstumpfung und sogar Abneigung, bewirkt,
welche auch noch in die Altersperiode hinüberreicht, in der
das Kind seiner natürlichen Entwickelung nach für die höhere
geistige Nahrung befähigt wäre.

Die Ahnung des Göttlichen, das dunkle Gottesbewustsein,
ist als der edelste Keim des menschlichen Geistes demselben
angeboren. Dies beweisen selbst die noch auf der Stufe der
Kindheit stehenden culturlosesten Völker. Diese Ahnung,
unterstützt von dem natürlichen Bedürfnisse des Kindes den
Kreis seiner Gefühle und Begriffe zu erweitern, erzeugt in
ihm nach und nach eine Sehnsucht, ein Suchen nach Gott.
Hiermit ist erst der rechte Zeitpunkt der geistigen Ausbildung ge-
kommen, welcher ein behutsames Einführen in das Heiligthum
der Religion gestattet und einen wahrhaft gedeihlichen Erfolg
davon hoffen lässt. Dies fällt aber gewöhnlich erst in die-
jenige Entwickelungszeit, wo ein etwas ernsteres Anschauen
und Prüfen der Dinge beginnt, gegen das 8. oder 9. Jahr.

Soll nun aber bis dahin von der kindlichen Seele Alles

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[154/0158] 2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. rung ist der heilsame Reiz, welcher Lust und Kraft zur wei- teren Ausbildung steigert. Um diesen natürlichen Gang der Entwickelung der Denk- kraft nicht zu durchkreuzen und zu verwirren, haben wir also immer als eine Hauptbedingung die zu betrachten: dass wir im Umgange mit Kindern dieser Altersstufe uns möglichst innerhalb des Bereiches derjenigen Begriffe halten, die für sie direct und schnell fasslich sind, also der aus sinnlichen Vorstellungen hergeleiteten, dagegen von allem Ausser- und Uebersinnlichen absehen müssen. Dies führt uns auf die hochwichtige Erziehungsfrage: Soll das Kind schon in diesem Alter auf Religions- begriffe hingelenkt und zu einigen Religionsübun- gen herbeigezogen werden? — eine Frage, deren ent- schiedene Verneinung aus Obigem hervorgeht. Die gute Ab- sicht vieler Aeltern und Lehrer, die Keime der Religiosität recht tief in das kindliche Herz einzupflanzen, wird durch vorzeitiges Beginnen verfehlt, statt des gewünschten Erfolges das Gegentheil, Abstumpfung und sogar Abneigung, bewirkt, welche auch noch in die Altersperiode hinüberreicht, in der das Kind seiner natürlichen Entwickelung nach für die höhere geistige Nahrung befähigt wäre. Die Ahnung des Göttlichen, das dunkle Gottesbewustsein, ist als der edelste Keim des menschlichen Geistes demselben angeboren. Dies beweisen selbst die noch auf der Stufe der Kindheit stehenden culturlosesten Völker. Diese Ahnung, unterstützt von dem natürlichen Bedürfnisse des Kindes den Kreis seiner Gefühle und Begriffe zu erweitern, erzeugt in ihm nach und nach eine Sehnsucht, ein Suchen nach Gott. Hiermit ist erst der rechte Zeitpunkt der geistigen Ausbildung ge- kommen, welcher ein behutsames Einführen in das Heiligthum der Religion gestattet und einen wahrhaft gedeihlichen Erfolg davon hoffen lässt. Dies fällt aber gewöhnlich erst in die- jenige Entwickelungszeit, wo ein etwas ernsteres Anschauen und Prüfen der Dinge beginnt, gegen das 8. oder 9. Jahr. Soll nun aber bis dahin von der kindlichen Seele Alles

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/158>, abgerufen am 24.11.2024.