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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
Drohungen aber nehmen die Achtung. -- Zweitens muss die
Strafe der Sache angemessen sein. Wo das strafende Wort als
nicht mehr ausreichend betrachtet wird, sind diesem Alter
kurze, von den Aeltern bald zu vergessende körperliche Züchti-
gungen am angemessensten. Bei richtig behandelten Kindern
werden sie über das 5., 6. Jahr hinaus kaum noch nöthig sein.
Lange hingezogene Strafen, wie Entziehung gewohnter Bedürf-
nisse, Versagung von Vergnügungen u. dgl., verfehlen, wenig-
stens in diesem, noch zu flüchtigen Alter den inneren, haupt-
sächlichen Zweck, führen leicht zur Bitterkeit. Aus gleichem
Grunde hat sich der Strafvollzieher vor maassloser Leiden-
schaftlichkeit, und die Umgebung vor jeder auch noch so ent-
fernten Spöttelei zu hüten. Die Schnelligkeit des Vergessens
eines Strafereignisses stehe genau im entsprechenden Verhält-
nisse zur Grösse der Schuld, d. h. der Gesinnungs-Schuld.
-- Drittens wirkt es heilsam auf die Gesinnung, wenn das
Kind nach jeder Bestrafung, nachdem es sich wieder gesam-
melt hat, (am besten von einer dritten Person) sanft angehal-
ten wird, als Zeichen der Bitte um Verzeihung (nicht etwa,
wie man ehedem verlangte, um zu danken) dem Strafvollzieher
die Hand zu reichen. Von da an sei Alles vergessen. Ist
die Aufforderung ein paar Mal geschehen, so wird das Kind
später jedesmal die Verpflichtung fühlen, freiwillig entgegen
zu kommen. Dies sichert gegen die Möglichkeit eines zurück-
bleibenden trotzigen oder bitteren Gefühles, vermittelt das
Gefühl der Reue (das nächste Ziel jeder Strafe) und die dar-
aus hervorgehende Besserung und gibt überhaupt dem Kinde
den heilsamen Eindruck, dass seinerseits dem Strafvollzieher
gegenüber immer noch Etwas gut zu machen sei, nicht um-
gekehrt, wenn auch vielleicht einmal ein Wort oder ein Schlag
mehr als nöthig gefallen sein sollte. Ueberhaupt darf ein
Bitten um Liebe nie anders als von Seite des Kindes ge-
schehen.

Dass manche Pädagogen der neueren Zeit die Bitte des
gestraften Kindes um Verzeihung für unpassend erklären, hat
wohl nur darin seinen Grund, dass sie dabei Kinder einer
späteren Altersperiode im Sinne gehabt haben. Es steht frei-

2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
Drohungen aber nehmen die Achtung. — Zweitens muss die
Strafe der Sache angemessen sein. Wo das strafende Wort als
nicht mehr ausreichend betrachtet wird, sind diesem Alter
kurze, von den Aeltern bald zu vergessende körperliche Züchti-
gungen am angemessensten. Bei richtig behandelten Kindern
werden sie über das 5., 6. Jahr hinaus kaum noch nöthig sein.
Lange hingezogene Strafen, wie Entziehung gewohnter Bedürf-
nisse, Versagung von Vergnügungen u. dgl., verfehlen, wenig-
stens in diesem, noch zu flüchtigen Alter den inneren, haupt-
sächlichen Zweck, führen leicht zur Bitterkeit. Aus gleichem
Grunde hat sich der Strafvollzieher vor maassloser Leiden-
schaftlichkeit, und die Umgebung vor jeder auch noch so ent-
fernten Spöttelei zu hüten. Die Schnelligkeit des Vergessens
eines Strafereignisses stehe genau im entsprechenden Verhält-
nisse zur Grösse der Schuld, d. h. der Gesinnungs-Schuld.
— Drittens wirkt es heilsam auf die Gesinnung, wenn das
Kind nach jeder Bestrafung, nachdem es sich wieder gesam-
melt hat, (am besten von einer dritten Person) sanft angehal-
ten wird, als Zeichen der Bitte um Verzeihung (nicht etwa,
wie man ehedem verlangte, um zu danken) dem Strafvollzieher
die Hand zu reichen. Von da an sei Alles vergessen. Ist
die Aufforderung ein paar Mal geschehen, so wird das Kind
später jedesmal die Verpflichtung fühlen, freiwillig entgegen
zu kommen. Dies sichert gegen die Möglichkeit eines zurück-
bleibenden trotzigen oder bitteren Gefühles, vermittelt das
Gefühl der Reue (das nächste Ziel jeder Strafe) und die dar-
aus hervorgehende Besserung und gibt überhaupt dem Kinde
den heilsamen Eindruck, dass seinerseits dem Strafvollzieher
gegenüber immer noch Etwas gut zu machen sei, nicht um-
gekehrt, wenn auch vielleicht einmal ein Wort oder ein Schlag
mehr als nöthig gefallen sein sollte. Ueberhaupt darf ein
Bitten um Liebe nie anders als von Seite des Kindes ge-
schehen.

Dass manche Pädagogen der neueren Zeit die Bitte des
gestraften Kindes um Verzeihung für unpassend erklären, hat
wohl nur darin seinen Grund, dass sie dabei Kinder einer
späteren Altersperiode im Sinne gehabt haben. Es steht frei-

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[142/0146] 2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. Drohungen aber nehmen die Achtung. — Zweitens muss die Strafe der Sache angemessen sein. Wo das strafende Wort als nicht mehr ausreichend betrachtet wird, sind diesem Alter kurze, von den Aeltern bald zu vergessende körperliche Züchti- gungen am angemessensten. Bei richtig behandelten Kindern werden sie über das 5., 6. Jahr hinaus kaum noch nöthig sein. Lange hingezogene Strafen, wie Entziehung gewohnter Bedürf- nisse, Versagung von Vergnügungen u. dgl., verfehlen, wenig- stens in diesem, noch zu flüchtigen Alter den inneren, haupt- sächlichen Zweck, führen leicht zur Bitterkeit. Aus gleichem Grunde hat sich der Strafvollzieher vor maassloser Leiden- schaftlichkeit, und die Umgebung vor jeder auch noch so ent- fernten Spöttelei zu hüten. Die Schnelligkeit des Vergessens eines Strafereignisses stehe genau im entsprechenden Verhält- nisse zur Grösse der Schuld, d. h. der Gesinnungs-Schuld. — Drittens wirkt es heilsam auf die Gesinnung, wenn das Kind nach jeder Bestrafung, nachdem es sich wieder gesam- melt hat, (am besten von einer dritten Person) sanft angehal- ten wird, als Zeichen der Bitte um Verzeihung (nicht etwa, wie man ehedem verlangte, um zu danken) dem Strafvollzieher die Hand zu reichen. Von da an sei Alles vergessen. Ist die Aufforderung ein paar Mal geschehen, so wird das Kind später jedesmal die Verpflichtung fühlen, freiwillig entgegen zu kommen. Dies sichert gegen die Möglichkeit eines zurück- bleibenden trotzigen oder bitteren Gefühles, vermittelt das Gefühl der Reue (das nächste Ziel jeder Strafe) und die dar- aus hervorgehende Besserung und gibt überhaupt dem Kinde den heilsamen Eindruck, dass seinerseits dem Strafvollzieher gegenüber immer noch Etwas gut zu machen sei, nicht um- gekehrt, wenn auch vielleicht einmal ein Wort oder ein Schlag mehr als nöthig gefallen sein sollte. Ueberhaupt darf ein Bitten um Liebe nie anders als von Seite des Kindes ge- schehen. Dass manche Pädagogen der neueren Zeit die Bitte des gestraften Kindes um Verzeihung für unpassend erklären, hat wohl nur darin seinen Grund, dass sie dabei Kinder einer späteren Altersperiode im Sinne gehabt haben. Es steht frei-

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/146>, abgerufen am 22.11.2024.