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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

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Nachdenkliche Beschreibung
Unter dem Galgen/ und da der Henker annoch die Strik-
ke in den Händen/ wird ein Dieb nicht leichtlich stehlen/
noch ein Knecht in Gegenwart des Herrn/ und bei ver-
handenen Geisselen und Prügelen/ leichtlich frevelen/
und trotzig sein; Die Menschen aber fast ins gemein/
da ihnen doch die aufschlagende herloderende Höllen-
flammen mit Fingeren in dem Worte Gottes gezeiget/
und wie der ewige andere Tod so grausamlich daheraus
gukke/ auch wie der Höllenwurm daheraus sie anzische/
deutlich vorgestellet wird/ (dahin das beigefügte Kup-
fer zielet/) achten solcher allergrausamsten/ alle Augen-
blikk doch verhandenen grössesten Gefahr nicht also/ wie
sie billig/ und bei Verlust ihrer Seeligkeit/ solches solten
und müsten; sondern schauen diß vielmehr mit blinden
starrenden Augen an/ hören es mit dummen dikken Oh-
ren an/ vernehmen es mit unentpfindlichen Hertzen/ als
ob das Stündelein ihrer Zeitlichkeit ewig verbleiben/
und die Wasserblase ihrer verschwindenden Eitelkeit ein
Eisenfester Grund were/ und gehen sicher ihren Gang/
und lauffen wolgemuht ihren Lauf/ bis sie auch darauf
blinder weise stürtzen ihren Sturtz.

Chrysostomus homil. 2. in Epist. ad Thess. re-
det hiervon unter andern also: Si legum, quae heic la-
tae sunt, tantam vim habent, ut nos a pravis abdu-
cant actionibus, multo magis futurorum memoria,
supplicium immortale, paena sempiterna. Si metus
regis terreni a tam multis nos abducit malis, quanto
magis metus aeterni Regis? Si mortuus, si solum vi-
deatur, animum nostrum ita reprimit, quanto magis
Gehenna & ignis, qui nequit extingui?
Dieses sagt
dieser H. Vater: Kan dan nun die Furcht der Mensch-
lichen Gesetze einen solchen Nachdrukk und Kraft haben/
nemlich das Böse zu unterlassen/ wie solte dan nicht tau-
sendmahl mehr solchen Nachdrukk und Kraft bei uns

wir-

Nachdenkliche Beſchreibung
Unter dem Galgen/ und da der Henker annoch die Strik-
ke in den Haͤnden/ wird ein Dieb nicht leichtlich ſtehlen/
noch ein Knecht in Gegenwart des Herꝛn/ und bei ver-
handenen Geiſſelen und Pruͤgelen/ leichtlich frevelen/
und trotzig ſein; Die Menſchen aber faſt ins gemein/
da ihnen doch die aufſchlagende herloderende Hoͤllen-
flammen mit Fingeren in dem Worte Gottes gezeiget/
und wie der ewige andere Tod ſo grauſamlich daheraus
gukke/ auch wie der Hoͤllenwurm daheraus ſie anziſche/
deutlich vorgeſtellet wird/ (dahin das beigefuͤgte Kup-
fer zielet/) achten ſolcher allergrauſamſten/ alle Augen-
blikk doch verhandenen groͤſſeſten Gefahr nicht alſo/ wie
ſie billig/ und bei Verluſt ihrer Seeligkeit/ ſolches ſolten
und muͤſten; ſondern ſchauen diß vielmehr mit blinden
ſtarrenden Augen an/ hoͤren es mit dummen dikken Oh-
ren an/ vernehmen es mit unentpfindlichen Hertzen/ als
ob das Stuͤndelein ihrer Zeitlichkeit ewig verbleiben/
und die Waſſerblaſe ihrer verſchwindenden Eitelkeit ein
Eiſenfeſter Grund were/ und gehen ſicher ihren Gang/
und lauffen wolgemuht ihren Lauf/ bis ſie auch darauf
blinder weiſe ſtuͤrtzen ihren Sturtz.

Chryſoſtomus homil. 2. in Epiſt. ad Theſſ. re-
det hiervon unter andern alſo: Si legum, quæ hîc la-
tæ ſunt, tantam vim habent, ut nos à pravis abdu-
cant actionibus, multo magis futurorum memoria,
ſupplicium immortale, pæna ſempiterna. Si metus
regis terreni à tàm multis nos abducit malis, quantò
magis metus æterni Regis? Si mortuus, ſi ſolum vi-
deatur, animum noſtrum ita reprimit, quantò magis
Gehenna & ignis, qui nequit extingui?
Dieſes ſagt
dieſer H. Vater: Kan dan nun die Furcht der Menſch-
lichen Geſetze einen ſolchen Nachdrukk und Kraft haben/
nemlich das Boͤſe zu unterlaſſen/ wie ſolte dan nicht tau-
ſendmahl mehr ſolchen Nachdrukk und Kraft bei uns

wir-
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[274/0342] Nachdenkliche Beſchreibung Unter dem Galgen/ und da der Henker annoch die Strik- ke in den Haͤnden/ wird ein Dieb nicht leichtlich ſtehlen/ noch ein Knecht in Gegenwart des Herꝛn/ und bei ver- handenen Geiſſelen und Pruͤgelen/ leichtlich frevelen/ und trotzig ſein; Die Menſchen aber faſt ins gemein/ da ihnen doch die aufſchlagende herloderende Hoͤllen- flammen mit Fingeren in dem Worte Gottes gezeiget/ und wie der ewige andere Tod ſo grauſamlich daheraus gukke/ auch wie der Hoͤllenwurm daheraus ſie anziſche/ deutlich vorgeſtellet wird/ (dahin das beigefuͤgte Kup- fer zielet/) achten ſolcher allergrauſamſten/ alle Augen- blikk doch verhandenen groͤſſeſten Gefahr nicht alſo/ wie ſie billig/ und bei Verluſt ihrer Seeligkeit/ ſolches ſolten und muͤſten; ſondern ſchauen diß vielmehr mit blinden ſtarrenden Augen an/ hoͤren es mit dummen dikken Oh- ren an/ vernehmen es mit unentpfindlichen Hertzen/ als ob das Stuͤndelein ihrer Zeitlichkeit ewig verbleiben/ und die Waſſerblaſe ihrer verſchwindenden Eitelkeit ein Eiſenfeſter Grund were/ und gehen ſicher ihren Gang/ und lauffen wolgemuht ihren Lauf/ bis ſie auch darauf blinder weiſe ſtuͤrtzen ihren Sturtz. Chryſoſtomus homil. 2. in Epiſt. ad Theſſ. re- det hiervon unter andern alſo: Si legum, quæ hîc la- tæ ſunt, tantam vim habent, ut nos à pravis abdu- cant actionibus, multo magis futurorum memoria, ſupplicium immortale, pæna ſempiterna. Si metus regis terreni à tàm multis nos abducit malis, quantò magis metus æterni Regis? Si mortuus, ſi ſolum vi- deatur, animum noſtrum ita reprimit, quantò magis Gehenna & ignis, qui nequit extingui? Dieſes ſagt dieſer H. Vater: Kan dan nun die Furcht der Menſch- lichen Geſetze einen ſolchen Nachdrukk und Kraft haben/ nemlich das Boͤſe zu unterlaſſen/ wie ſolte dan nicht tau- ſendmahl mehr ſolchen Nachdrukk und Kraft bei uns wir-

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Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/342>, abgerufen am 27.11.2024.