Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.der Hölle und Höllischen Zustandes. Darum sagt der Prophet Jerem. Lam. c. 4. v. 9. dases viel besser und leidlicher ergehe/ denen die durchs Schwerdt/ als die durch Hunger sterben. Schrekliche Exempel hat man erlebet/ daß die Men- Doch alles was man auf einige weise kan von solch- LXVIII.
der Hoͤlle und Hoͤlliſchen Zuſtandes. Darum ſagt der Prophet Jerem. Lam. c. 4. v. 9. dases viel beſſer und leidlicher ergehe/ denen die durchs Schwerdt/ als die durch Hunger ſterben. Schrekliche Exempel hat man erlebet/ daß die Men- Doch alles was man auf einige weiſe kan von ſolch- LXVIII.
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der Hoͤlle und Hoͤlliſchen Zuſtandes.
Darum ſagt der Prophet Jerem. Lam. c. 4. v. 9. das
es viel beſſer und leidlicher ergehe/ denen die durchs
Schwerdt/ als die durch Hunger ſterben.
Schrekliche Exempel hat man erlebet/ daß die Men-
ſchen aus grim̃igem Hunger ihr eigen Fleiſch/ was ſie an
Armen und Beinen haben mit dem Munde und Zaͤhnen
erlangen koͤnnen/ begierigſt bis auf die Knochen verzehrt
und eingeſchlukket: Kalk und Leimen aus der Wand/
Drekk und Unflaht aus der Erden haben etliche zur
Speiſe wollen einkeuen/ ehe ſie verſchmachtet: Der wuͤ-
teriche Tiberius hat ſeines tapferen Wahlſohns Ger-
manici erwachſene Princen durch Hunger toͤdten laſ-
ſen/ die auch in der groͤſſeſten Hungerqwaal haben die
Federn und Daunen aus den Pfuͤlen und Kuͤſſen wol-
len vergeblich zur Speiſe gebrauchen.
Doch alles was man auf einige weiſe kan von ſolch-
er Hungersnoht erwehnen/ iſt im allergeringſten mit
dem Hunger Tode in der Hoͤlle nicht zuvergleichen/ in
Betracht/ der Hunger in der Welt bringet endlich einen
ſauren/ doch baldigen Tod mit ſich/ weil uͤber neun oder
zehn Tage ein Menſch nicht laͤnger ohn Speis uñ Trank
verharren/ noch laͤngere Zeit erleben kan/ was iſt aber ei-
ne neuntaͤgige Zeit gegen ein Jahr/ gegen hundert Jahr/
gegen tauſend oder hundert tauſend Jahr? Ja/ was iſt
dieſes Augenblikk gegen die unendliche Ewigkeit? Und
welches das wunderbareſte bei dieſer verſchmachteten
Grauſamkeit/ daß die euſſerſt erlittene Hungersnoht/
gar nicht ein Ende und eine aufhoͤrende Vermittelung/
ſondern ſtets ein Anfang/ und gleichſam eine Speiſe/ und
neue Nahrung zur immerwehrenden Hungersnoht ver-
uhrſache/ welches der Poetiſche Text allhier alſo vorſtel-
let/ als ob durch ſteten Hunger Tod muͤſſe dennoch das
Leben immer neu und erfriſchet ſein.
LXVIII.
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