Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdenkliche Beschreibung
dert Jahr unaufhörlich im heissen Peche sich müssen
schwartz brennen und braten lassen/ die Labung ist/ O
weh! daß er darauf tausend Jahr an einander in bren-
nendem Schwefel
muß verbleiben/ und eine heftigere/
mehr durchdringende Gluet ausstehen. Lieber bedenke
doch/ wan einer nur an grossem Zahnwehe oder Zipper-
lein einen Monaht/ Nacht und Tag müste aushalten/ ja
wan es ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr unaufhör-
lich Nacht und Tag ohn Linderung und Ruh wehren
solte/ würde solches nicht eine unerträgliche Pein und
Noht uns bedünken? Was ist nun das Zahnweh oder
das Zipperlein/ oder der Schmertz eines und andern
Gliedes an unserem Leibe/ gegen diese Höllengluet/ so
durch Leib und Seele dringet? Was ist ein Monaht/
ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr/ gegen hundert
Jahr/ gegen tausend Jahr? ja gegen die Ewigkeit? Ein
nichtes und Schatte ist alles zeitliches Elend/ und aller
zeitlicher Schmertz gegen das ewige Elend und ewigweh-
renden Schmertzen. Ignium umbra sunt ignes nostri ad
illa inferorum incendia: Paenae, quas hic dependi-
mus, delitiae sunt, ad illa nunquam desitura tormen-
ta,
nennet es nicht unbillig ein gelahrter Mann.

Höchstverschmertzlichst hoffest nun) Die
teutschen Wörter und composita von Ver/ führen
mit sich eine sonderliche Andeutung/ als Verwesen wan
das Wesen und die substantz des gantzen Dinges ver-
gehet und vernichtiget wird. Verweinen wan durch
Weinen und Thränen etwas gleichsam getilget und
vergessen wird. Verbeissen wan durch Zusammenbeis-
sung der Zähne etwas übersehen/ überhöret oder sonst in
Vergeß gestellet wird. Also auch Verschmertzen/ wan
durch erduldeten Schmertz etwas überstanden oder
überwunden wird: Allhier wird ein solches teutsches
Wort gebraucht/ höchstverschmertzlichst welches

vorn

Nachdenkliche Beſchreibung
dert Jahr unaufhoͤrlich im heiſſen Peche ſich muͤſſen
ſchwartz brennen und braten laſſen/ die Labung iſt/ O
weh! daß er darauf tauſend Jahr an einander in bren-
nendem Schwefel
muß verbleiben/ und eine heftigere/
mehr durchdringende Gluet ausſtehen. Lieber bedenke
doch/ wan einer nur an groſſem Zahnwehe oder Zipper-
lein einen Monaht/ Nacht und Tag muͤſte aushalten/ ja
wan es ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr unaufhoͤr-
lich Nacht und Tag ohn Linderung und Ruh wehren
ſolte/ wuͤrde ſolches nicht eine unertraͤgliche Pein und
Noht uns beduͤnken? Was iſt nun das Zahnweh oder
das Zipperlein/ oder der Schmertz eines und andern
Gliedes an unſerem Leibe/ gegen dieſe Hoͤllengluet/ ſo
durch Leib und Seele dringet? Was iſt ein Monaht/
ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr/ gegen hundert
Jahr/ gegen tauſend Jahr? ja gegen die Ewigkeit? Ein
nichtes und Schatte iſt alles zeitliches Elend/ und aller
zeitlicher Schmertz gegen das ewige Elend und ewigweh-
renden Schmertzen. Ignium umbra ſunt ignes noſtri ad
illa inferorum incendia: Pænæ, quas hic dependi-
mus, delitiæ ſunt, ad illa nunquam deſitura tormen-
ta,
nennet es nicht unbillig ein gelahrter Mann.

Hoͤchſtverſchmertzlichſt hoffeſt nun) Die
teutſchen Woͤrter und compoſita von Ver/ fuͤhren
mit ſich eine ſonderliche Andeutung/ als Verweſen wan
das Weſen und die ſubſtantz des gantzen Dinges ver-
gehet und vernichtiget wird. Verweinen wan durch
Weinen und Thraͤnen etwas gleichſam getilget und
vergeſſen wird. Verbeiſſen wan durch Zuſammenbeiſ-
ſung der Zaͤhne etwas uͤberſehen/ uͤberhoͤret oder ſonſt in
Vergeß geſtellet wird. Alſo auch Verſchmertzen/ wan
durch erduldeten Schmertz etwas uͤberſtanden oder
uͤberwunden wird: Allhier wird ein ſolches teutſches
Wort gebraucht/ hoͤchſtverſchmertzlichſt welches

vorn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachdenkliche Be&#x017F;chreibung</hi></fw><lb/>
dert Jahr unaufho&#x0364;rlich im hei&#x017F;&#x017F;en Peche &#x017F;ich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chwartz brennen und braten la&#x017F;&#x017F;en/ die Labung i&#x017F;t/ O<lb/>
weh! daß er darauf tau&#x017F;end Jahr an einander in <hi rendition="#fr">bren-<lb/>
nendem Schwefel</hi> muß verbleiben/ und eine heftigere/<lb/>
mehr durchdringende Gluet aus&#x017F;tehen. Lieber bedenke<lb/>
doch/ wan einer nur an gro&#x017F;&#x017F;em Zahnwehe oder Zipper-<lb/>
lein einen Monaht/ Nacht und Tag mu&#x0364;&#x017F;te aushalten/ ja<lb/>
wan es ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr unaufho&#x0364;r-<lb/>
lich Nacht und Tag ohn Linderung und Ruh wehren<lb/>
&#x017F;olte/ wu&#x0364;rde &#x017F;olches nicht eine unertra&#x0364;gliche Pein und<lb/>
Noht uns bedu&#x0364;nken? Was i&#x017F;t nun das Zahnweh oder<lb/>
das Zipperlein/ oder der Schmertz eines und andern<lb/>
Gliedes an un&#x017F;erem Leibe/ gegen die&#x017F;e Ho&#x0364;llengluet/ &#x017F;o<lb/>
durch Leib und Seele dringet? Was i&#x017F;t ein Monaht/<lb/>
ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr/ gegen hundert<lb/>
Jahr/ gegen tau&#x017F;end Jahr? ja gegen die Ewigkeit? Ein<lb/>
nichtes und Schatte i&#x017F;t alles zeitliches Elend/ und aller<lb/>
zeitlicher Schmertz gegen das ewige Elend und ewigweh-<lb/>
renden Schmertzen. <hi rendition="#aq">Ignium umbra &#x017F;unt ignes no&#x017F;tri ad<lb/>
illa inferorum incendia: Pænæ, quas hic dependi-<lb/>
mus, delitiæ &#x017F;unt, ad illa nunquam de&#x017F;itura tormen-<lb/>
ta,</hi> nennet es nicht unbillig ein gelahrter Mann.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Ho&#x0364;ch&#x017F;tver&#x017F;chmertzlich&#x017F;t hoffe&#x017F;t nun</hi>) Die<lb/>
teut&#x017F;chen Wo&#x0364;rter und <hi rendition="#aq">compo&#x017F;ita</hi> von <hi rendition="#fr">Ver/</hi> fu&#x0364;hren<lb/>
mit &#x017F;ich eine &#x017F;onderliche Andeutung/ als <hi rendition="#fr">Verwe&#x017F;en</hi> wan<lb/>
das We&#x017F;en und die <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;tantz</hi> des gantzen Dinges ver-<lb/>
gehet und vernichtiget wird. <hi rendition="#fr">Verweinen</hi> wan durch<lb/>
Weinen und Thra&#x0364;nen etwas gleich&#x017F;am getilget und<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en wird. <hi rendition="#fr">Verbei&#x017F;&#x017F;en</hi> wan durch Zu&#x017F;ammenbei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung der Za&#x0364;hne etwas u&#x0364;ber&#x017F;ehen/ u&#x0364;berho&#x0364;ret oder &#x017F;on&#x017F;t in<lb/>
Vergeß ge&#x017F;tellet wird. Al&#x017F;o auch <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;chmertzen/</hi> wan<lb/>
durch erduldeten Schmertz etwas u&#x0364;ber&#x017F;tanden oder<lb/>
u&#x0364;berwunden wird: Allhier wird ein &#x017F;olches teut&#x017F;ches<lb/>
Wort gebraucht/ <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;tver&#x017F;chmertzlich&#x017F;t</hi> welches<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vorn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0166] Nachdenkliche Beſchreibung dert Jahr unaufhoͤrlich im heiſſen Peche ſich muͤſſen ſchwartz brennen und braten laſſen/ die Labung iſt/ O weh! daß er darauf tauſend Jahr an einander in bren- nendem Schwefel muß verbleiben/ und eine heftigere/ mehr durchdringende Gluet ausſtehen. Lieber bedenke doch/ wan einer nur an groſſem Zahnwehe oder Zipper- lein einen Monaht/ Nacht und Tag muͤſte aushalten/ ja wan es ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr unaufhoͤr- lich Nacht und Tag ohn Linderung und Ruh wehren ſolte/ wuͤrde ſolches nicht eine unertraͤgliche Pein und Noht uns beduͤnken? Was iſt nun das Zahnweh oder das Zipperlein/ oder der Schmertz eines und andern Gliedes an unſerem Leibe/ gegen dieſe Hoͤllengluet/ ſo durch Leib und Seele dringet? Was iſt ein Monaht/ ein halbes Jahr/ oder gantzes Jahr/ gegen hundert Jahr/ gegen tauſend Jahr? ja gegen die Ewigkeit? Ein nichtes und Schatte iſt alles zeitliches Elend/ und aller zeitlicher Schmertz gegen das ewige Elend und ewigweh- renden Schmertzen. Ignium umbra ſunt ignes noſtri ad illa inferorum incendia: Pænæ, quas hic dependi- mus, delitiæ ſunt, ad illa nunquam deſitura tormen- ta, nennet es nicht unbillig ein gelahrter Mann. Hoͤchſtverſchmertzlichſt hoffeſt nun) Die teutſchen Woͤrter und compoſita von Ver/ fuͤhren mit ſich eine ſonderliche Andeutung/ als Verweſen wan das Weſen und die ſubſtantz des gantzen Dinges ver- gehet und vernichtiget wird. Verweinen wan durch Weinen und Thraͤnen etwas gleichſam getilget und vergeſſen wird. Verbeiſſen wan durch Zuſammenbeiſ- ſung der Zaͤhne etwas uͤberſehen/ uͤberhoͤret oder ſonſt in Vergeß geſtellet wird. Alſo auch Verſchmertzen/ wan durch erduldeten Schmertz etwas uͤberſtanden oder uͤberwunden wird: Allhier wird ein ſolches teutſches Wort gebraucht/ hoͤchſtverſchmertzlichſt welches vorn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/166
Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/166>, abgerufen am 24.11.2024.