Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

mit namenloser Qual, und wenn sein Peiniger,
Joram, gewußt hätte, in welchem Maße er litt, so
würde er triumphirt haben. Zu diesen kaum er-
träglichen Seelenleiden gesellten sich auch noch kör-
perliche, denn die beiden Barbaren hatten ihr un-
glückliches Schlachtopfer, damit es ihnen nicht ent-
wischen könne, so fest gebunden, daß ihm beide
Arme anschwollen und die Stricke bereits in das
Fleisch einschnitten, und der Schmerz war oft so
unerträglich, daß Arnold einer Ohnmacht nahe war.

Trotz dem bat er nicht um Erleichterung, ei-
nestheils aus Klugheit, weil er sich sagen mußte,
daß ein Mensch von dem grausamen Character
Jorams weit eher noch seine Leiden vermehrt, als
vermindert haben würde, sobald er sich darüber be-
klagt hätte; anderntheils litt es aber auch sein Stolz
nicht, an seinen Henker eine Bitte zu richten und
sich ihm gegenüber schwach zu zeigen. So verrieth
allein sein immer bleicher und bleicher werdendes
Gesicht, die Abspannung, welche sich in seinen Zü-
gen kund that, was er und bis zu welchem Grade
er litt, aber keine Klage kam über seine Lippen.

Endlich langte man in Nauvoo an, wo noch
Alles durch die beabsichtigte Wegführung des Pro-
pheten im größten Aufruhr war. So wie die Bei-
den ihren Gefangenen durch die langen Gassen der

6 *

mit namenloſer Qual, und wenn ſein Peiniger,
Joram, gewußt hätte, in welchem Maße er litt, ſo
würde er triumphirt haben. Zu dieſen kaum er-
träglichen Seelenleiden geſellten ſich auch noch kör-
perliche, denn die beiden Barbaren hatten ihr un-
glückliches Schlachtopfer, damit es ihnen nicht ent-
wiſchen könne, ſo feſt gebunden, daß ihm beide
Arme anſchwollen und die Stricke bereits in das
Fleiſch einſchnitten, und der Schmerz war oft ſo
unerträglich, daß Arnold einer Ohnmacht nahe war.

Trotz dem bat er nicht um Erleichterung, ei-
nestheils aus Klugheit, weil er ſich ſagen mußte,
daß ein Menſch von dem grauſamen Character
Jorams weit eher noch ſeine Leiden vermehrt, als
vermindert haben würde, ſobald er ſich darüber be-
klagt hätte; anderntheils litt es aber auch ſein Stolz
nicht, an ſeinen Henker eine Bitte zu richten und
ſich ihm gegenüber ſchwach zu zeigen. So verrieth
allein ſein immer bleicher und bleicher werdendes
Geſicht, die Abſpannung, welche ſich in ſeinen Zü-
gen kund that, was er und bis zu welchem Grade
er litt, aber keine Klage kam über ſeine Lippen.

Endlich langte man in Nauvoo an, wo noch
Alles durch die beabſichtigte Wegführung des Pro-
pheten im größten Aufruhr war. So wie die Bei-
den ihren Gefangenen durch die langen Gaſſen der

6 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="83"/>
mit namenlo&#x017F;er Qual, und wenn &#x017F;ein Peiniger,<lb/>
Joram, gewußt hätte, in welchem Maße er litt, &#x017F;o<lb/>
würde er triumphirt haben. Zu die&#x017F;en kaum er-<lb/>
träglichen Seelenleiden ge&#x017F;ellten &#x017F;ich auch noch kör-<lb/>
perliche, denn die beiden Barbaren hatten ihr un-<lb/>
glückliches Schlachtopfer, damit es ihnen nicht ent-<lb/>
wi&#x017F;chen könne, &#x017F;o fe&#x017F;t gebunden, daß ihm beide<lb/>
Arme an&#x017F;chwollen und die Stricke bereits in das<lb/>
Flei&#x017F;ch ein&#x017F;chnitten, und der Schmerz war oft &#x017F;o<lb/>
unerträglich, daß Arnold einer Ohnmacht nahe war.</p><lb/>
        <p>Trotz dem bat er nicht um Erleichterung, ei-<lb/>
nestheils aus Klugheit, weil er &#x017F;ich &#x017F;agen mußte,<lb/>
daß ein Men&#x017F;ch von dem grau&#x017F;amen Character<lb/>
Jorams weit eher noch &#x017F;eine Leiden vermehrt, als<lb/>
vermindert haben würde, &#x017F;obald er &#x017F;ich darüber be-<lb/>
klagt hätte; anderntheils litt es aber auch &#x017F;ein Stolz<lb/>
nicht, an &#x017F;einen Henker eine Bitte zu richten und<lb/>
&#x017F;ich ihm gegenüber &#x017F;chwach zu zeigen. So verrieth<lb/>
allein &#x017F;ein immer bleicher und bleicher werdendes<lb/>
Ge&#x017F;icht, die Ab&#x017F;pannung, welche &#x017F;ich in &#x017F;einen Zü-<lb/>
gen kund that, was er und bis zu welchem Grade<lb/>
er litt, aber keine Klage kam über &#x017F;eine Lippen.</p><lb/>
        <p>Endlich langte man in Nauvoo an, wo noch<lb/>
Alles durch die beab&#x017F;ichtigte Wegführung des Pro-<lb/>
pheten im größten Aufruhr war. So wie die Bei-<lb/>
den ihren Gefangenen durch die langen Ga&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0089] mit namenloſer Qual, und wenn ſein Peiniger, Joram, gewußt hätte, in welchem Maße er litt, ſo würde er triumphirt haben. Zu dieſen kaum er- träglichen Seelenleiden geſellten ſich auch noch kör- perliche, denn die beiden Barbaren hatten ihr un- glückliches Schlachtopfer, damit es ihnen nicht ent- wiſchen könne, ſo feſt gebunden, daß ihm beide Arme anſchwollen und die Stricke bereits in das Fleiſch einſchnitten, und der Schmerz war oft ſo unerträglich, daß Arnold einer Ohnmacht nahe war. Trotz dem bat er nicht um Erleichterung, ei- nestheils aus Klugheit, weil er ſich ſagen mußte, daß ein Menſch von dem grauſamen Character Jorams weit eher noch ſeine Leiden vermehrt, als vermindert haben würde, ſobald er ſich darüber be- klagt hätte; anderntheils litt es aber auch ſein Stolz nicht, an ſeinen Henker eine Bitte zu richten und ſich ihm gegenüber ſchwach zu zeigen. So verrieth allein ſein immer bleicher und bleicher werdendes Geſicht, die Abſpannung, welche ſich in ſeinen Zü- gen kund that, was er und bis zu welchem Grade er litt, aber keine Klage kam über ſeine Lippen. Endlich langte man in Nauvoo an, wo noch Alles durch die beabſichtigte Wegführung des Pro- pheten im größten Aufruhr war. So wie die Bei- den ihren Gefangenen durch die langen Gaſſen der 6 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/89
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/89>, abgerufen am 22.11.2024.