Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

So lange, als die drei Reisenden noch nicht
in der Grafschaft Hancock angelangt waren, nah-
men sie Umwege und übernachteten stets im Freien,
bewohnte Gegenden und menschliche Wohnnngen sorg-
fältig vermeidend, was die Beschwerden der Reise,
namentlich für den Gefangenen, sehr vermehrte, da
die Jahreszeit schon so weit vorgerückt war, daß
die Nächte empsindlich kalt waren. Sobald man
aber die Grenzen der Grafschaft überschritten hatte,
führte man Arnold gleichsam im Triumphe durch
die bewohntesten Orte, denn hier durfte man sicher
seyn, daß kein Befreiungsversuch gemacht werden
würde, da man nur noch Mormons antraf, die
nach und nach alle frühern Bewohner von Hancock
verdrängt und sich zu alleinigen Besitzern der Graf-
schaft gemacht hatten.

Arnold gönnte seinen Feinden nicht den Triumph,
auch nur eine einzige Klage von ihm zu hören, ob-
schon seine körperlichen und moralischen Leiden fast
unerträglich waren. Nicht der Gedanke, so jung
schon, und vielleicht unter grausamen Martern, ster-
ben zu sollen, crschreckte ihn und erschütterte die
Standhaftigkeit seiner Seele, sondern allein der,
was Flora, das himmlische, von ihm angebetete,
mit dem Schmerze noch völlig unbekannte Wesen
durch seinen Tod leiden würde, erfüllte seine Seele

So lange, als die drei Reiſenden noch nicht
in der Grafſchaft Hancock angelangt waren, nah-
men ſie Umwege und übernachteten ſtets im Freien,
bewohnte Gegenden und menſchliche Wohnnngen ſorg-
fältig vermeidend, was die Beſchwerden der Reiſe,
namentlich für den Gefangenen, ſehr vermehrte, da
die Jahreszeit ſchon ſo weit vorgerückt war, daß
die Nächte empſindlich kalt waren. Sobald man
aber die Grenzen der Grafſchaft überſchritten hatte,
führte man Arnold gleichſam im Triumphe durch
die bewohnteſten Orte, denn hier durfte man ſicher
ſeyn, daß kein Befreiungsverſuch gemacht werden
würde, da man nur noch Mormons antraf, die
nach und nach alle frühern Bewohner von Hancock
verdrängt und ſich zu alleinigen Beſitzern der Graf-
ſchaft gemacht hatten.

Arnold gönnte ſeinen Feinden nicht den Triumph,
auch nur eine einzige Klage von ihm zu hören, ob-
ſchon ſeine körperlichen und moraliſchen Leiden faſt
unerträglich waren. Nicht der Gedanke, ſo jung
ſchon, und vielleicht unter grauſamen Martern, ſter-
ben zu ſollen, crſchreckte ihn und erſchütterte die
Standhaftigkeit ſeiner Seele, ſondern allein der,
was Flora, das himmliſche, von ihm angebetete,
mit dem Schmerze noch völlig unbekannte Weſen
durch ſeinen Tod leiden würde, erfüllte ſeine Seele

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0088" n="82"/>
        <p>So lange, als die drei Rei&#x017F;enden noch nicht<lb/>
in der Graf&#x017F;chaft Hancock angelangt waren, nah-<lb/>
men &#x017F;ie Umwege und übernachteten &#x017F;tets im Freien,<lb/>
bewohnte Gegenden und men&#x017F;chliche Wohnnngen &#x017F;org-<lb/>
fältig vermeidend, was die Be&#x017F;chwerden der Rei&#x017F;e,<lb/>
namentlich für den Gefangenen, &#x017F;ehr vermehrte, da<lb/>
die Jahreszeit &#x017F;chon &#x017F;o weit vorgerückt war, daß<lb/>
die Nächte emp&#x017F;indlich kalt waren. Sobald man<lb/>
aber die Grenzen der Graf&#x017F;chaft über&#x017F;chritten hatte,<lb/>
führte man Arnold gleich&#x017F;am im Triumphe durch<lb/>
die bewohnte&#x017F;ten Orte, denn hier durfte man &#x017F;icher<lb/>
&#x017F;eyn, daß kein Befreiungsver&#x017F;uch gemacht werden<lb/>
würde, da man nur noch Mormons antraf, die<lb/>
nach und nach alle frühern Bewohner von Hancock<lb/>
verdrängt und &#x017F;ich zu alleinigen Be&#x017F;itzern der Graf-<lb/>
&#x017F;chaft gemacht hatten.</p><lb/>
        <p>Arnold gönnte &#x017F;einen Feinden nicht den Triumph,<lb/>
auch nur eine einzige Klage von ihm zu hören, ob-<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;eine körperlichen und morali&#x017F;chen Leiden fa&#x017F;t<lb/>
unerträglich waren. Nicht der Gedanke, &#x017F;o jung<lb/>
&#x017F;chon, und vielleicht unter grau&#x017F;amen Martern, &#x017F;ter-<lb/>
ben zu &#x017F;ollen, cr&#x017F;chreckte ihn und er&#x017F;chütterte die<lb/>
Standhaftigkeit &#x017F;einer Seele, &#x017F;ondern allein der,<lb/>
was Flora, das himmli&#x017F;che, von ihm angebetete,<lb/>
mit dem Schmerze noch völlig unbekannte We&#x017F;en<lb/>
durch &#x017F;einen Tod leiden würde, erfüllte &#x017F;eine Seele<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0088] So lange, als die drei Reiſenden noch nicht in der Grafſchaft Hancock angelangt waren, nah- men ſie Umwege und übernachteten ſtets im Freien, bewohnte Gegenden und menſchliche Wohnnngen ſorg- fältig vermeidend, was die Beſchwerden der Reiſe, namentlich für den Gefangenen, ſehr vermehrte, da die Jahreszeit ſchon ſo weit vorgerückt war, daß die Nächte empſindlich kalt waren. Sobald man aber die Grenzen der Grafſchaft überſchritten hatte, führte man Arnold gleichſam im Triumphe durch die bewohnteſten Orte, denn hier durfte man ſicher ſeyn, daß kein Befreiungsverſuch gemacht werden würde, da man nur noch Mormons antraf, die nach und nach alle frühern Bewohner von Hancock verdrängt und ſich zu alleinigen Beſitzern der Graf- ſchaft gemacht hatten. Arnold gönnte ſeinen Feinden nicht den Triumph, auch nur eine einzige Klage von ihm zu hören, ob- ſchon ſeine körperlichen und moraliſchen Leiden faſt unerträglich waren. Nicht der Gedanke, ſo jung ſchon, und vielleicht unter grauſamen Martern, ſter- ben zu ſollen, crſchreckte ihn und erſchütterte die Standhaftigkeit ſeiner Seele, ſondern allein der, was Flora, das himmliſche, von ihm angebetete, mit dem Schmerze noch völlig unbekannte Weſen durch ſeinen Tod leiden würde, erfüllte ſeine Seele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/88
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/88>, abgerufen am 22.11.2024.