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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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Schmetterling hin und her schwebte, sich bald zu die-
ser, bald zu jener niederbeugend, um entweder ihre
Farbenpracht zu bewundern oder ihren süßen Duft
einzuathmen, und bald war sie gänzlich den sie un-
aufhörlich suchenden Blicken Arnolds entschwunden:
wahrscheinlich hatte sie sich, durch das Gespräch der
Männer gelangweilt, in das Haus und in ihre Ge-
mächer zurückgezogen.

Der Gouverneur hatte viel zu fragen und Arnold
war, zu jenes nicht geringer Freude, von Allem
unterrichtet, was er zu wissen wünschte. Besonders
schien den Ersteren das Leben und Treiben der Mor-
mons, und unter diesen vor allem der Stifter der
seltsamen Secte, Joe Smith, lebhaft zu interessiren
und es entging Arnolden nicht, daß er von den Ta-
lenten dieses Mannes eine sehr große Meinung hege.

Dies vermehrte das Peinliche der Lage des jun-
gen Deutschen dem Gouverneur gegenüber mit jeglicher
Minute; denn sollte er in das Lob des von ihm Ge-
haßten und Verachteten einstimmen und dadurch mit
sich selbst in Widerspruch gerathen? oder sollte er
sich, einem ihm noch unbekannten, auch ihn noch nicht
kennenden Manne gegenüber gleichsam wie ein Un-
dankbarer oder gar wie ein Verläumder zeigen, in-
dem er mit seiner Ansicht über den Character des
Propheten offen hervorträte? Er entschloß sich nach

Schmetterling hin und her ſchwebte, ſich bald zu die-
ſer, bald zu jener niederbeugend, um entweder ihre
Farbenpracht zu bewundern oder ihren ſüßen Duft
einzuathmen, und bald war ſie gänzlich den ſie un-
aufhörlich ſuchenden Blicken Arnolds entſchwunden:
wahrſcheinlich hatte ſie ſich, durch das Geſpräch der
Männer gelangweilt, in das Haus und in ihre Ge-
mächer zurückgezogen.

Der Gouverneur hatte viel zu fragen und Arnold
war, zu jenes nicht geringer Freude, von Allem
unterrichtet, was er zu wiſſen wünſchte. Beſonders
ſchien den Erſteren das Leben und Treiben der Mor-
mons, und unter dieſen vor allem der Stifter der
ſeltſamen Secte, Joe Smith, lebhaft zu intereſſiren
und es entging Arnolden nicht, daß er von den Ta-
lenten dieſes Mannes eine ſehr große Meinung hege.

Dies vermehrte das Peinliche der Lage des jun-
gen Deutſchen dem Gouverneur gegenüber mit jeglicher
Minute; denn ſollte er in das Lob des von ihm Ge-
haßten und Verachteten einſtimmen und dadurch mit
ſich ſelbſt in Widerſpruch gerathen? oder ſollte er
ſich, einem ihm noch unbekannten, auch ihn noch nicht
kennenden Manne gegenüber gleichſam wie ein Un-
dankbarer oder gar wie ein Verläumder zeigen, in-
dem er mit ſeiner Anſicht über den Character des
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[2/0008] Schmetterling hin und her ſchwebte, ſich bald zu die- ſer, bald zu jener niederbeugend, um entweder ihre Farbenpracht zu bewundern oder ihren ſüßen Duft einzuathmen, und bald war ſie gänzlich den ſie un- aufhörlich ſuchenden Blicken Arnolds entſchwunden: wahrſcheinlich hatte ſie ſich, durch das Geſpräch der Männer gelangweilt, in das Haus und in ihre Ge- mächer zurückgezogen. Der Gouverneur hatte viel zu fragen und Arnold war, zu jenes nicht geringer Freude, von Allem unterrichtet, was er zu wiſſen wünſchte. Beſonders ſchien den Erſteren das Leben und Treiben der Mor- mons, und unter dieſen vor allem der Stifter der ſeltſamen Secte, Joe Smith, lebhaft zu intereſſiren und es entging Arnolden nicht, daß er von den Ta- lenten dieſes Mannes eine ſehr große Meinung hege. Dies vermehrte das Peinliche der Lage des jun- gen Deutſchen dem Gouverneur gegenüber mit jeglicher Minute; denn ſollte er in das Lob des von ihm Ge- haßten und Verachteten einſtimmen und dadurch mit ſich ſelbſt in Widerſpruch gerathen? oder ſollte er ſich, einem ihm noch unbekannten, auch ihn noch nicht kennenden Manne gegenüber gleichſam wie ein Un- dankbarer oder gar wie ein Verläumder zeigen, in- dem er mit ſeiner Anſicht über den Character des Propheten offen hervorträte? Er entſchloß ſich nach

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/8>, abgerufen am 21.11.2024.