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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Propheten zuvor befragt zu haben, dem Gouverneur
zuzusagen und diesem die bestimmte Zusicherung zu ge-
ben, daß er schon in wenigen Tagen nach St. Louis
aufbrechen und mit Vergnügen die ihm zu übertra-
genden geometrischen Arbeiten übernehmen würde.

Diesen Brief übergab er dem sich nach einigen
Stunden wieder bei ihm einstellenden Boten und fühlte
sich, als er ihn damit fortreiten sah, gleichsam er-
leichtert, da er durch den ihm gemachten Antrag des
Gouverneurs zum Einschlagen einer neuen Lebensrich-
tung und zum Aufgeben alter, ihm widerwärtig ge-
wordenen Verhältnisse getrieben worden war. Denn
es ergeht uns damit, wie es uns oft im Schlafe er-
geht, wo wir das unangenehme Gefühl einer üblen
Lage haben, ohne uns doch so weit ermuntern zu
können, sie zu verändern; hier sind es die Nerven,
die noch nicht Spannkraft genug gesammelt haben,
daß wir uns ganz wieder unserer bewußt werden
könnten, dort ist es eine uns angeborene Jndolenz,
vielleicht auch die Furcht, daß es uns noch schlimmer
als seither ergehen dürfte, die uns in unpassenden La-
gen und drückenden Verhältnissen fortleben läßt, und
so müssen wir es immer dem Geschick Dank wissen,
wenn es uns durch diesen oder jenen Zufall zu Hülfe
kommt.

Der Tag hatte, theils durch den scharfen Ritt,

Propheten zuvor befragt zu haben, dem Gouverneur
zuzuſagen und dieſem die beſtimmte Zuſicherung zu ge-
ben, daß er ſchon in wenigen Tagen nach St. Louis
aufbrechen und mit Vergnügen die ihm zu übertra-
genden geometriſchen Arbeiten übernehmen würde.

Dieſen Brief übergab er dem ſich nach einigen
Stunden wieder bei ihm einſtellenden Boten und fühlte
ſich, als er ihn damit fortreiten ſah, gleichſam er-
leichtert, da er durch den ihm gemachten Antrag des
Gouverneurs zum Einſchlagen einer neuen Lebensrich-
tung und zum Aufgeben alter, ihm widerwärtig ge-
wordenen Verhältniſſe getrieben worden war. Denn
es ergeht uns damit, wie es uns oft im Schlafe er-
geht, wo wir das unangenehme Gefühl einer üblen
Lage haben, ohne uns doch ſo weit ermuntern zu
können, ſie zu verändern; hier ſind es die Nerven,
die noch nicht Spannkraft genug geſammelt haben,
daß wir uns ganz wieder unſerer bewußt werden
könnten, dort iſt es eine uns angeborene Jndolenz,
vielleicht auch die Furcht, daß es uns noch ſchlimmer
als ſeither ergehen dürfte, die uns in unpaſſenden La-
gen und drückenden Verhältniſſen fortleben läßt, und
ſo müſſen wir es immer dem Geſchick Dank wiſſen,
wenn es uns durch dieſen oder jenen Zufall zu Hülfe
kommt.

Der Tag hatte, theils durch den ſcharfen Ritt,

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[66/0072] Propheten zuvor befragt zu haben, dem Gouverneur zuzuſagen und dieſem die beſtimmte Zuſicherung zu ge- ben, daß er ſchon in wenigen Tagen nach St. Louis aufbrechen und mit Vergnügen die ihm zu übertra- genden geometriſchen Arbeiten übernehmen würde. Dieſen Brief übergab er dem ſich nach einigen Stunden wieder bei ihm einſtellenden Boten und fühlte ſich, als er ihn damit fortreiten ſah, gleichſam er- leichtert, da er durch den ihm gemachten Antrag des Gouverneurs zum Einſchlagen einer neuen Lebensrich- tung und zum Aufgeben alter, ihm widerwärtig ge- wordenen Verhältniſſe getrieben worden war. Denn es ergeht uns damit, wie es uns oft im Schlafe er- geht, wo wir das unangenehme Gefühl einer üblen Lage haben, ohne uns doch ſo weit ermuntern zu können, ſie zu verändern; hier ſind es die Nerven, die noch nicht Spannkraft genug geſammelt haben, daß wir uns ganz wieder unſerer bewußt werden könnten, dort iſt es eine uns angeborene Jndolenz, vielleicht auch die Furcht, daß es uns noch ſchlimmer als ſeither ergehen dürfte, die uns in unpaſſenden La- gen und drückenden Verhältniſſen fortleben läßt, und ſo müſſen wir es immer dem Geſchick Dank wiſſen, wenn es uns durch dieſen oder jenen Zufall zu Hülfe kommt. Der Tag hatte, theils durch den ſcharfen Ritt,

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/72>, abgerufen am 24.11.2024.