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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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wohl wollte, etwas seyn, der er durch seine Theil-
nahme und sein Mitleid Trost bringen konnte. Mit
ihr schien auch das letzte Band zerrissen zu seyn, das
ihn noch an die Civilisation knüpfte und der Gedanke,
dieser für immer Lebewohl zu sagen, auf immer mit
ihr abzuschließen und fortan unter seinen geliebten
Wilden nur noch ein Naturleben zu führen, trat ihm
wieder näher denn je. Ja, hätte er Dinas Tod schon
während seines letzten Besuchs bei den Chippewas und
Sioux erfahren, so würde er wahrscheinlich nicht wie-
der nach Nauvoo zurückgekehrt seyn: sie allein, die
Hoffnung, ihr beim Sterben noch einigen Trost brin-
gen zu können, hatte ihn wohl dahin zurückgeführt,
denn alles Andere in der Colonie stieß ihn weit mehr
ab, als es ihn anzog.

Mit diesen Gedanken und Vorstellungen beschäf-
tigt, bemerkte er den Wiedereintritt John Adams
kaum und wurde erst durch die Anrede desselben auf
seine Anwesenheit aufmerksam gemacht.

-- "Es ist ein Reiter draußen vor der Thür,
Sir," nahm der Alte das Wort, "der einen Brief
an Sie abzugeben und Jhre Antwort darauf ent-
gegenzunehmen hat: darf ich ihn zu Jhnen hinein-
führen?"

-- "Thut das," war die Antwort und nach
wenigen Minuten trat ein schon etwas ältlicher Mann

wohl wollte, etwas ſeyn, der er durch ſeine Theil-
nahme und ſein Mitleid Troſt bringen konnte. Mit
ihr ſchien auch das letzte Band zerriſſen zu ſeyn, das
ihn noch an die Civiliſation knüpfte und der Gedanke,
dieſer für immer Lebewohl zu ſagen, auf immer mit
ihr abzuſchließen und fortan unter ſeinen geliebten
Wilden nur noch ein Naturleben zu führen, trat ihm
wieder näher denn je. Ja, hätte er Dinas Tod ſchon
während ſeines letzten Beſuchs bei den Chippewas und
Sioux erfahren, ſo würde er wahrſcheinlich nicht wie-
der nach Nauvoo zurückgekehrt ſeyn: ſie allein, die
Hoffnung, ihr beim Sterben noch einigen Troſt brin-
gen zu können, hatte ihn wohl dahin zurückgeführt,
denn alles Andere in der Colonie ſtieß ihn weit mehr
ab, als es ihn anzog.

Mit dieſen Gedanken und Vorſtellungen beſchäf-
tigt, bemerkte er den Wiedereintritt John Adams
kaum und wurde erſt durch die Anrede deſſelben auf
ſeine Anweſenheit aufmerkſam gemacht.

— „Es iſt ein Reiter draußen vor der Thür,
Sir,“ nahm der Alte das Wort, „der einen Brief
an Sie abzugeben und Jhre Antwort darauf ent-
gegenzunehmen hat: darf ich ihn zu Jhnen hinein-
führen?“

— „Thut das,“ war die Antwort und nach
wenigen Minuten trat ein ſchon etwas ältlicher Mann

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[61/0067] wohl wollte, etwas ſeyn, der er durch ſeine Theil- nahme und ſein Mitleid Troſt bringen konnte. Mit ihr ſchien auch das letzte Band zerriſſen zu ſeyn, das ihn noch an die Civiliſation knüpfte und der Gedanke, dieſer für immer Lebewohl zu ſagen, auf immer mit ihr abzuſchließen und fortan unter ſeinen geliebten Wilden nur noch ein Naturleben zu führen, trat ihm wieder näher denn je. Ja, hätte er Dinas Tod ſchon während ſeines letzten Beſuchs bei den Chippewas und Sioux erfahren, ſo würde er wahrſcheinlich nicht wie- der nach Nauvoo zurückgekehrt ſeyn: ſie allein, die Hoffnung, ihr beim Sterben noch einigen Troſt brin- gen zu können, hatte ihn wohl dahin zurückgeführt, denn alles Andere in der Colonie ſtieß ihn weit mehr ab, als es ihn anzog. Mit dieſen Gedanken und Vorſtellungen beſchäf- tigt, bemerkte er den Wiedereintritt John Adams kaum und wurde erſt durch die Anrede deſſelben auf ſeine Anweſenheit aufmerkſam gemacht. — „Es iſt ein Reiter draußen vor der Thür, Sir,“ nahm der Alte das Wort, „der einen Brief an Sie abzugeben und Jhre Antwort darauf ent- gegenzunehmen hat: darf ich ihn zu Jhnen hinein- führen?“ — „Thut das,“ war die Antwort und nach wenigen Minuten trat ein ſchon etwas ältlicher Mann

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/67>, abgerufen am 22.11.2024.