-- "Jch blieb, den Athem an mich haltend, noch eine Weile neben ihm liegen," fuhr der Erzäh- ler fort; "dann, als ich sicher war, daß der er wie- der fest schliefe, kroch ich auf dem Bauche wieder aus der Hütte, hing das vorher herabgenommene Netz wieder vor, um die Schläfer nicht einer tödtlichen Gefahr auszusetzen, und eilte, mit dem Kleinode auf der Brust, meinem Pferde so schnell als mög- lich zu."
-- "Jndeß durfte ich den geraden Weg zu un- serer Niederlassung nicht einschlagen, weil dies sicher zur Entdeckung des Thäters geführt haben würde; denn wir Rothhäute sind in der Auffindung der Spu- ren Flüchtiger schlauer und erfahrener als ihr Bleich- gesichter, sondern ich mußte die Verfolger durch List irre zu leiten und zu täuschen suchen. Jch ritt also dem Ufer des großen Flusses (Missisippi) zu, warf mich, als ich ihn erreicht hatte, mit meinem Mus- tang, den ich schwimmend am Zügel mit mir führte, hinein und langte glücklich am jenseitigen Ufer an. Jetzt erst durfte ich mich als gerettet ansehen und brachte einen ganzen Tag und eine Nacht im Walde zu, theils um mir selbst und meinem Thiere etwas Ruhe zu gönnen, theils mir einige Nahrung zu ver- schaffen, denn der Hunger tödtete mich fast, da ich seit mehren Tagen nicht das Mindeste genossen hatte.
— „Jch blieb, den Athem an mich haltend, noch eine Weile neben ihm liegen,“ fuhr der Erzäh- ler fort; „dann, als ich ſicher war, daß der er wie- der feſt ſchliefe, kroch ich auf dem Bauche wieder aus der Hütte, hing das vorher herabgenommene Netz wieder vor, um die Schläfer nicht einer tödtlichen Gefahr auszuſetzen, und eilte, mit dem Kleinode auf der Bruſt, meinem Pferde ſo ſchnell als mög- lich zu.“
— „Jndeß durfte ich den geraden Weg zu un- ſerer Niederlaſſung nicht einſchlagen, weil dies ſicher zur Entdeckung des Thäters geführt haben würde; denn wir Rothhäute ſind in der Auffindung der Spu- ren Flüchtiger ſchlauer und erfahrener als ihr Bleich- geſichter, ſondern ich mußte die Verfolger durch Liſt irre zu leiten und zu täuſchen ſuchen. Jch ritt alſo dem Ufer des großen Fluſſes (Miſſiſippi) zu, warf mich, als ich ihn erreicht hatte, mit meinem Mus- tang, den ich ſchwimmend am Zügel mit mir führte, hinein und langte glücklich am jenſeitigen Ufer an. Jetzt erſt durfte ich mich als gerettet anſehen und brachte einen ganzen Tag und eine Nacht im Walde zu, theils um mir ſelbſt und meinem Thiere etwas Ruhe zu gönnen, theils mir einige Nahrung zu ver- ſchaffen, denn der Hunger tödtete mich faſt, da ich ſeit mehren Tagen nicht das Mindeſte genoſſen hatte.
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— „Jch blieb, den Athem an mich haltend,
noch eine Weile neben ihm liegen,“ fuhr der Erzäh-
ler fort; „dann, als ich ſicher war, daß der er wie-
der feſt ſchliefe, kroch ich auf dem Bauche wieder aus
der Hütte, hing das vorher herabgenommene Netz
wieder vor, um die Schläfer nicht einer tödtlichen
Gefahr auszuſetzen, und eilte, mit dem Kleinode
auf der Bruſt, meinem Pferde ſo ſchnell als mög-
lich zu.“
— „Jndeß durfte ich den geraden Weg zu un-
ſerer Niederlaſſung nicht einſchlagen, weil dies ſicher
zur Entdeckung des Thäters geführt haben würde;
denn wir Rothhäute ſind in der Auffindung der Spu-
ren Flüchtiger ſchlauer und erfahrener als ihr Bleich-
geſichter, ſondern ich mußte die Verfolger durch Liſt
irre zu leiten und zu täuſchen ſuchen. Jch ritt alſo
dem Ufer des großen Fluſſes (Miſſiſippi) zu, warf
mich, als ich ihn erreicht hatte, mit meinem Mus-
tang, den ich ſchwimmend am Zügel mit mir führte,
hinein und langte glücklich am jenſeitigen Ufer an.
Jetzt erſt durfte ich mich als gerettet anſehen und
brachte einen ganzen Tag und eine Nacht im Walde
zu, theils um mir ſelbſt und meinem Thiere etwas
Ruhe zu gönnen, theils mir einige Nahrung zu ver-
ſchaffen, denn der Hunger tödtete mich faſt, da ich
ſeit mehren Tagen nicht das Mindeſte genoſſen hatte.
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/59>, abgerufen am 16.02.2025.
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