-- "Und zu welchem Ende," unterbrach der Europäer den Erzähler, "legtest du alle jene Sachen neben dem Wigwam des Nanawa nieder?"
-- "Kannst du dir diese Frage nicht selbst be- antworten, Bleichgesicht?" erwiederte ihm der Sioux. "Wollte ich denn, gleich einem diebischen und hinter- listigen Schwarzfuß, Opiska Toaki bestehlen? Abtau- schen wollte ich ihm den Talisman, den ihm zu rau- ben meine Absicht war, und deshalb legte ich eine Menge der schönsten Felle und Alles, was ich von den Fußkrämern und Trappers eingetauscht hatte, neben dem Wigwam des Nanawa nieder, damit er es beim Erwachen fände und zum Ersatze für das Vermißte an sich nähme; auch war ich ihm ja ein Blutgeld für das Leben seines durch meine Unvorsich- tigkeit getödteten Bruders schuldig."
-- "Gute, redliche Seele!" rief Arnold, dem Jndianer seine Hand reichend, und dieser fuhr fort:
-- "Das Leichteste war gethan, das Schwerste und Gefährlichste stand mir noch bevor: ich mußte mich in den Wigwam schleichen und dem schlafenden Opiska Toaki, inmitten seiner neben ihm ruhenden Kinder und seiner Squaw, die ihm hart zur Seite lag, das Kleinod von der Brust nehmen."
-- "Und das wagtest du?!" rief Arnold, ihn mit erschrockenen Blicken ansehend.
— „Und zu welchem Ende,“ unterbrach der Europäer den Erzähler, „legteſt du alle jene Sachen neben dem Wigwam des Nanawa nieder?“
— „Kannſt du dir dieſe Frage nicht ſelbſt be- antworten, Bleichgeſicht?“ erwiederte ihm der Sioux. „Wollte ich denn, gleich einem diebiſchen und hinter- liſtigen Schwarzfuß, Opiska Toaki beſtehlen? Abtau- ſchen wollte ich ihm den Talisman, den ihm zu rau- ben meine Abſicht war, und deshalb legte ich eine Menge der ſchönſten Felle und Alles, was ich von den Fußkrämern und Trappers eingetauſcht hatte, neben dem Wigwam des Nanawa nieder, damit er es beim Erwachen fände und zum Erſatze für das Vermißte an ſich nähme; auch war ich ihm ja ein Blutgeld für das Leben ſeines durch meine Unvorſich- tigkeit getödteten Bruders ſchuldig.“
— „Gute, redliche Seele!“ rief Arnold, dem Jndianer ſeine Hand reichend, und dieſer fuhr fort:
— „Das Leichteſte war gethan, das Schwerſte und Gefährlichſte ſtand mir noch bevor: ich mußte mich in den Wigwam ſchleichen und dem ſchlafenden Opiska Toaki, inmitten ſeiner neben ihm ruhenden Kinder und ſeiner Squaw, die ihm hart zur Seite lag, das Kleinod von der Bruſt nehmen.“
— „Und das wagteſt du?!“ rief Arnold, ihn mit erſchrockenen Blicken anſehend.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0056"n="50"/><p>—„Und zu welchem Ende,“ unterbrach der<lb/>
Europäer den Erzähler, „legteſt du alle jene Sachen<lb/>
neben dem Wigwam des Nanawa nieder?“</p><lb/><p>—„Kannſt du dir dieſe Frage nicht ſelbſt be-<lb/>
antworten, Bleichgeſicht?“ erwiederte ihm der Sioux.<lb/>„Wollte ich denn, gleich einem diebiſchen und hinter-<lb/>
liſtigen Schwarzfuß, Opiska Toaki beſtehlen? Abtau-<lb/>ſchen wollte ich ihm den Talisman, den ihm zu rau-<lb/>
ben meine Abſicht war, und deshalb legte ich eine<lb/>
Menge der ſchönſten Felle und Alles, was ich von<lb/>
den Fußkrämern und Trappers eingetauſcht hatte,<lb/>
neben dem Wigwam des Nanawa nieder, damit er<lb/>
es beim Erwachen fände und zum Erſatze für das<lb/>
Vermißte an ſich nähme; auch war ich ihm ja ein<lb/>
Blutgeld für das Leben ſeines durch meine Unvorſich-<lb/>
tigkeit getödteten Bruders ſchuldig.“</p><lb/><p>—„Gute, redliche Seele!“ rief Arnold, dem<lb/>
Jndianer ſeine Hand reichend, und dieſer fuhr fort:</p><lb/><p>—„Das Leichteſte war gethan, das Schwerſte<lb/>
und Gefährlichſte ſtand mir noch bevor: ich mußte<lb/>
mich in den Wigwam ſchleichen und dem ſchlafenden<lb/>
Opiska Toaki, inmitten ſeiner neben ihm ruhenden<lb/>
Kinder und ſeiner Squaw, die ihm hart zur Seite<lb/>
lag, das Kleinod von der Bruſt nehmen.“</p><lb/><p>—„Und das wagteſt du?!“ rief Arnold, ihn<lb/>
mit erſchrockenen Blicken anſehend.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[50/0056]
— „Und zu welchem Ende,“ unterbrach der
Europäer den Erzähler, „legteſt du alle jene Sachen
neben dem Wigwam des Nanawa nieder?“
— „Kannſt du dir dieſe Frage nicht ſelbſt be-
antworten, Bleichgeſicht?“ erwiederte ihm der Sioux.
„Wollte ich denn, gleich einem diebiſchen und hinter-
liſtigen Schwarzfuß, Opiska Toaki beſtehlen? Abtau-
ſchen wollte ich ihm den Talisman, den ihm zu rau-
ben meine Abſicht war, und deshalb legte ich eine
Menge der ſchönſten Felle und Alles, was ich von
den Fußkrämern und Trappers eingetauſcht hatte,
neben dem Wigwam des Nanawa nieder, damit er
es beim Erwachen fände und zum Erſatze für das
Vermißte an ſich nähme; auch war ich ihm ja ein
Blutgeld für das Leben ſeines durch meine Unvorſich-
tigkeit getödteten Bruders ſchuldig.“
— „Gute, redliche Seele!“ rief Arnold, dem
Jndianer ſeine Hand reichend, und dieſer fuhr fort:
— „Das Leichteſte war gethan, das Schwerſte
und Gefährlichſte ſtand mir noch bevor: ich mußte
mich in den Wigwam ſchleichen und dem ſchlafenden
Opiska Toaki, inmitten ſeiner neben ihm ruhenden
Kinder und ſeiner Squaw, die ihm hart zur Seite
lag, das Kleinod von der Bruſt nehmen.“
— „Und das wagteſt du?!“ rief Arnold, ihn
mit erſchrockenen Blicken anſehend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/56>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.