Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

die ich noch jetzt liebe, trotz dem, daß du mich nicht
mehr lieben kannst, mich einer andern Neigung auf-
geopfert hast? Nimmermehr!"

-- "So laß nur auch mir ein Grab auf deinem
neuen Kirchhofe, neben dem Dina's, graben!" rief
sie mit dem Tone der höchsten Leidenschaft: "ich kann
nicht ohne ihn, nicht ohne seine Gegenliebe leben!
O, wenn du wüßtest, Joe, was ich gelitten, was
empfunden habe, seit du ....." Sie stockte.

-- "Du wolltest mir einen Vorwurf machen;
genire dich nicht, Marie!" sagte er in einem etwas
gereizten Tone. "Du hast das Recht dazu," fuhr er
nach einer Weile in mildererm fort; "ich trage in der
That allein alle Schuld an diesem Unglück: ich mußte
wahnsinnig seyn, indem ich dir diesen jungen Mann
zuführte und ihn so lange allein mit dir ließ. Aber
ich vertraute deiner Liebe, deinen Schwüren ewiger
Treue ....."

-- "O, keine Vorwürfe, Joe!" unterbrach sie
ihn mit flehender Stimme. "Jch selbst mache sie mir
und heftigere, als du vielleicht glaubst. Aber das
Unglück ist nun einmal da: du hast mir ein Geständ-
niß abgelockt; du hast mir großmüthig verziehen: jetzt
hilf, jetzt rette mich, errette mich von Verzweiflung!"

-- "Gut!" sagte er nach einer ziemlich langen
Pause, während welcher er mit sich selbst gekämpft zu

II. 12

die ich noch jetzt liebe, trotz dem, daß du mich nicht
mehr lieben kannſt, mich einer andern Neigung auf-
geopfert haſt? Nimmermehr!“

— „So laß nur auch mir ein Grab auf deinem
neuen Kirchhofe, neben dem Dina’s, graben!“ rief
ſie mit dem Tone der höchſten Leidenſchaft: „ich kann
nicht ohne ihn, nicht ohne ſeine Gegenliebe leben!
O, wenn du wüßteſt, Joe, was ich gelitten, was
empfunden habe, ſeit du .....“ Sie ſtockte.

— „Du wollteſt mir einen Vorwurf machen;
genire dich nicht, Marie!“ ſagte er in einem etwas
gereizten Tone. „Du haſt das Recht dazu,“ fuhr er
nach einer Weile in mildererm fort; „ich trage in der
That allein alle Schuld an dieſem Unglück: ich mußte
wahnſinnig ſeyn, indem ich dir dieſen jungen Mann
zuführte und ihn ſo lange allein mit dir ließ. Aber
ich vertraute deiner Liebe, deinen Schwüren ewiger
Treue .....“

— „O, keine Vorwürfe, Joe!“ unterbrach ſie
ihn mit flehender Stimme. „Jch ſelbſt mache ſie mir
und heftigere, als du vielleicht glaubſt. Aber das
Unglück iſt nun einmal da: du haſt mir ein Geſtänd-
niß abgelockt; du haſt mir großmüthig verziehen: jetzt
hilf, jetzt rette mich, errette mich von Verzweiflung!“

— „Gut!“ ſagte er nach einer ziemlich langen
Pauſe, während welcher er mit ſich ſelbſt gekämpft zu

II. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0183" n="177"/>
die ich noch jetzt liebe, trotz dem, daß du mich nicht<lb/>
mehr lieben kann&#x017F;t, mich einer andern Neigung auf-<lb/>
geopfert ha&#x017F;t? Nimmermehr!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;So laß nur auch mir ein Grab auf deinem<lb/>
neuen Kirchhofe, neben dem Dina&#x2019;s, graben!&#x201C; rief<lb/>
&#x017F;ie mit dem Tone der höch&#x017F;ten Leiden&#x017F;chaft: &#x201E;ich kann<lb/>
nicht ohne ihn, nicht ohne &#x017F;eine Gegenliebe leben!<lb/>
O, wenn du wüßte&#x017F;t, Joe, was ich gelitten, was<lb/>
empfunden habe, &#x017F;eit du .....&#x201C; Sie &#x017F;tockte.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Du wollte&#x017F;t mir einen Vorwurf machen;<lb/>
genire dich nicht, Marie!&#x201C; &#x017F;agte er in einem etwas<lb/>
gereizten Tone. &#x201E;Du ha&#x017F;t das Recht dazu,&#x201C; fuhr er<lb/>
nach einer Weile in mildererm fort; &#x201E;ich trage in der<lb/>
That allein alle Schuld an die&#x017F;em Unglück: ich mußte<lb/>
wahn&#x017F;innig &#x017F;eyn, indem ich dir die&#x017F;en jungen Mann<lb/>
zuführte und ihn &#x017F;o lange allein mit dir ließ. Aber<lb/>
ich vertraute deiner Liebe, deinen Schwüren ewiger<lb/>
Treue .....&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;O, keine Vorwürfe, Joe!&#x201C; unterbrach &#x017F;ie<lb/>
ihn mit flehender Stimme. &#x201E;Jch &#x017F;elb&#x017F;t mache &#x017F;ie mir<lb/>
und heftigere, als du vielleicht glaub&#x017F;t. Aber das<lb/>
Unglück i&#x017F;t nun einmal da: du ha&#x017F;t mir ein Ge&#x017F;tänd-<lb/>
niß abgelockt; du ha&#x017F;t mir großmüthig verziehen: jetzt<lb/>
hilf, jetzt rette mich, errette mich von Verzweiflung!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Gut!&#x201C; &#x017F;agte er nach einer ziemlich langen<lb/>
Pau&#x017F;e, während welcher er mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gekämpft zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 12</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0183] die ich noch jetzt liebe, trotz dem, daß du mich nicht mehr lieben kannſt, mich einer andern Neigung auf- geopfert haſt? Nimmermehr!“ — „So laß nur auch mir ein Grab auf deinem neuen Kirchhofe, neben dem Dina’s, graben!“ rief ſie mit dem Tone der höchſten Leidenſchaft: „ich kann nicht ohne ihn, nicht ohne ſeine Gegenliebe leben! O, wenn du wüßteſt, Joe, was ich gelitten, was empfunden habe, ſeit du .....“ Sie ſtockte. — „Du wollteſt mir einen Vorwurf machen; genire dich nicht, Marie!“ ſagte er in einem etwas gereizten Tone. „Du haſt das Recht dazu,“ fuhr er nach einer Weile in mildererm fort; „ich trage in der That allein alle Schuld an dieſem Unglück: ich mußte wahnſinnig ſeyn, indem ich dir dieſen jungen Mann zuführte und ihn ſo lange allein mit dir ließ. Aber ich vertraute deiner Liebe, deinen Schwüren ewiger Treue .....“ — „O, keine Vorwürfe, Joe!“ unterbrach ſie ihn mit flehender Stimme. „Jch ſelbſt mache ſie mir und heftigere, als du vielleicht glaubſt. Aber das Unglück iſt nun einmal da: du haſt mir ein Geſtänd- niß abgelockt; du haſt mir großmüthig verziehen: jetzt hilf, jetzt rette mich, errette mich von Verzweiflung!“ — „Gut!“ ſagte er nach einer ziemlich langen Pauſe, während welcher er mit ſich ſelbſt gekämpft zu II. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/183
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/183>, abgerufen am 24.11.2024.