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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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in Folge meines sich immer mehr verschlimmernden Ge-
sundheitszustandes, mit jedem Tage übler: desto besser!



Nur Eins begreife ich nicht: weshalb Braun
mich nicht tödtete, da ich ihm doch zur Last, da mein
Anblick ihm ein sich ewig erneuender Vorwurf seyn
muß? Aber ich glaube, seine Seele ist so verhärtet,
daß er mich, meine Leiden ansehen kann, ohne das
Mindeste dabei zu empfinden. Und dann kann ich
ihm ja auch noch Dienste leisten! Wo würde er wohl
eine zweite so willige, so verschwiegene Sclavin fin-
den wie mich: dies ist es wahrscheinlich, was mir
das Leben noch fristet.



Marie war heute, wegen eines leichten Versehens
bei ihrer Toilette, so hart gegen mich, so grausam
möchte ich sagen, daß ich mich, da sie zu Schimpf-
reden auch noch thätliche Mißhandlungen hinzufügen
wollte -- es kam nicht dazu, sie drohte nur da-
mit -- der Thränen nicht erwehren konnte. Braun
kam in das Zimmer, als ich weinend auf meinen
Knieen lag und Gott um die Kraft anflehte, auch
das noch erdulden zu können. "Was ist dir?" fragte
er mit hartem Tone und mich fast zornig ansehend.

in Folge meines ſich immer mehr verſchlimmernden Ge-
ſundheitszuſtandes, mit jedem Tage übler: deſto beſſer!



Nur Eins begreife ich nicht: weshalb Braun
mich nicht tödtete, da ich ihm doch zur Laſt, da mein
Anblick ihm ein ſich ewig erneuender Vorwurf ſeyn
muß? Aber ich glaube, ſeine Seele iſt ſo verhärtet,
daß er mich, meine Leiden anſehen kann, ohne das
Mindeſte dabei zu empfinden. Und dann kann ich
ihm ja auch noch Dienſte leiſten! Wo würde er wohl
eine zweite ſo willige, ſo verſchwiegene Sclavin fin-
den wie mich: dies iſt es wahrſcheinlich, was mir
das Leben noch friſtet.



Marie war heute, wegen eines leichten Verſehens
bei ihrer Toilette, ſo hart gegen mich, ſo grauſam
möchte ich ſagen, daß ich mich, da ſie zu Schimpf-
reden auch noch thätliche Mißhandlungen hinzufügen
wollte — es kam nicht dazu, ſie drohte nur da-
mit — der Thränen nicht erwehren konnte. Braun
kam in das Zimmer, als ich weinend auf meinen
Knieen lag und Gott um die Kraft anflehte, auch
das noch erdulden zu können. „Was iſt dir?“ fragte
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[154/0160] in Folge meines ſich immer mehr verſchlimmernden Ge- ſundheitszuſtandes, mit jedem Tage übler: deſto beſſer! Nur Eins begreife ich nicht: weshalb Braun mich nicht tödtete, da ich ihm doch zur Laſt, da mein Anblick ihm ein ſich ewig erneuender Vorwurf ſeyn muß? Aber ich glaube, ſeine Seele iſt ſo verhärtet, daß er mich, meine Leiden anſehen kann, ohne das Mindeſte dabei zu empfinden. Und dann kann ich ihm ja auch noch Dienſte leiſten! Wo würde er wohl eine zweite ſo willige, ſo verſchwiegene Sclavin fin- den wie mich: dies iſt es wahrſcheinlich, was mir das Leben noch friſtet. Marie war heute, wegen eines leichten Verſehens bei ihrer Toilette, ſo hart gegen mich, ſo grauſam möchte ich ſagen, daß ich mich, da ſie zu Schimpf- reden auch noch thätliche Mißhandlungen hinzufügen wollte — es kam nicht dazu, ſie drohte nur da- mit — der Thränen nicht erwehren konnte. Braun kam in das Zimmer, als ich weinend auf meinen Knieen lag und Gott um die Kraft anflehte, auch das noch erdulden zu können. „Was iſt dir?“ fragte er mit hartem Tone und mich faſt zornig anſehend.

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/160>, abgerufen am 24.11.2024.