andern Thore hinaus fuhr. So gelangte er von Sta- tion zu Station bis nach Holland, wo er sich mit mir nach Amerika einschiffte, mich für seine wahn- sinnige Schwester auf dem Schiffe ausgebend. Wo er mit der kleinen Leiche geblieben, weiß ich nicht; doch konnte es ihm nicht schwer fallen, sich ihrer während der nächtlichen Fahrt zu entledigen.
Als ich, nach einer Reihe von Jahren, wieder, erst dann und wann, bald aber häufiger, lichte Au- genblicke hatte, erblickte ich mich in einem kleinen, verschlossenen Zimmer, in das zu Anfang nur Braun -- der sich hier, wie ich später erfuhr, Joseph, oder, nach dem Landesgebrauch, Joe Smith nennen ließ, -- von Zeit zu Zeit trat, um mich mit den nothdürftigsten Lebensbedürfnissen zu versehen. Spä- ter sandte er auch zuweilen einen gewissen Hieram, einen rohen, unangenehmen Menschen von widerwär- tigem Ansehen, zu mir, der mir äußerst fatal war und vor dem ich mich, so lange mein Wahnsinn dauerte, jedesmal zu verbergen suchte. Jn welchen Verhältnissen, an welchem Orte ich mich befand; was Braun that, wovon er lebte, das erfuhr ich erst spä- ter, als mir von meiner Gemüthskrankheit nichts wei- ter übrig geblieben war, als jene Nervenaufregung, die mich selbst jetzt noch zum Nachtwandeln zwingt und die die furchtbarste Qual für mich ist.
andern Thore hinaus fuhr. So gelangte er von Sta- tion zu Station bis nach Holland, wo er ſich mit mir nach Amerika einſchiffte, mich für ſeine wahn- ſinnige Schweſter auf dem Schiffe ausgebend. Wo er mit der kleinen Leiche geblieben, weiß ich nicht; doch konnte es ihm nicht ſchwer fallen, ſich ihrer während der nächtlichen Fahrt zu entledigen.
Als ich, nach einer Reihe von Jahren, wieder, erſt dann und wann, bald aber häufiger, lichte Au- genblicke hatte, erblickte ich mich in einem kleinen, verſchloſſenen Zimmer, in das zu Anfang nur Braun — der ſich hier, wie ich ſpäter erfuhr, Joſeph, oder, nach dem Landesgebrauch, Joe Smith nennen ließ, — von Zeit zu Zeit trat, um mich mit den nothdürftigſten Lebensbedürfniſſen zu verſehen. Spä- ter ſandte er auch zuweilen einen gewiſſen Hieram, einen rohen, unangenehmen Menſchen von widerwär- tigem Anſehen, zu mir, der mir äußerſt fatal war und vor dem ich mich, ſo lange mein Wahnſinn dauerte, jedesmal zu verbergen ſuchte. Jn welchen Verhältniſſen, an welchem Orte ich mich befand; was Braun that, wovon er lebte, das erfuhr ich erſt ſpä- ter, als mir von meiner Gemüthskrankheit nichts wei- ter übrig geblieben war, als jene Nervenaufregung, die mich ſelbſt jetzt noch zum Nachtwandeln zwingt und die die furchtbarſte Qual für mich iſt.
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andern Thore hinaus fuhr. So gelangte er von Sta-
tion zu Station bis nach Holland, wo er ſich mit
mir nach Amerika einſchiffte, mich für ſeine wahn-
ſinnige Schweſter auf dem Schiffe ausgebend. Wo
er mit der kleinen Leiche geblieben, weiß ich nicht;
doch konnte es ihm nicht ſchwer fallen, ſich ihrer
während der nächtlichen Fahrt zu entledigen.
Als ich, nach einer Reihe von Jahren, wieder,
erſt dann und wann, bald aber häufiger, lichte Au-
genblicke hatte, erblickte ich mich in einem kleinen,
verſchloſſenen Zimmer, in das zu Anfang nur Braun —
der ſich hier, wie ich ſpäter erfuhr, Joſeph, oder,
nach dem Landesgebrauch, Joe Smith nennen
ließ, — von Zeit zu Zeit trat, um mich mit den
nothdürftigſten Lebensbedürfniſſen zu verſehen. Spä-
ter ſandte er auch zuweilen einen gewiſſen Hieram,
einen rohen, unangenehmen Menſchen von widerwär-
tigem Anſehen, zu mir, der mir äußerſt fatal war
und vor dem ich mich, ſo lange mein Wahnſinn
dauerte, jedesmal zu verbergen ſuchte. Jn welchen
Verhältniſſen, an welchem Orte ich mich befand; was
Braun that, wovon er lebte, das erfuhr ich erſt ſpä-
ter, als mir von meiner Gemüthskrankheit nichts wei-
ter übrig geblieben war, als jene Nervenaufregung,
die mich ſelbſt jetzt noch zum Nachtwandeln zwingt
und die die furchtbarſte Qual für mich iſt.
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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