Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte er; "ich muß wieder fort: meine Geschäfte ru-
fen mich nach *** zurück, und mehr noch, daß ich
vor allen Dingen eine zugleich sichere und bequeme
Zufluchtsstätte für dich zu suchen habe. Du mußt
stark seyn und mir gänzlich vertrauen, Dina!"

Jch weinte, allein ich war bemüht, meine Thrä-
nen vor ihm zu verbergen, weil ich fürchten mußte,
ihn dadurch zu betrüben. Eine Stunde blieb er bei
mir, bereitete mir ein Lager von seinem Mantel und
den mitgebrachten Decken, legte die Lebensmittel wie-
der in den Korb, damit ich während des nächsten Ta-
ges nicht Hunger zu leiden brauchte, küßte mich beim
Abschiede zärtlich und verließ die Höhle, um sein in
einiger Entfernung von derselben angebundenes Pferd
wieder zu besteigen.

Auf solche Weise brachte ich einen ganzen Monat
in der Abgeschiedenheit zu. Dann sagte mir Braun,
zu meiner nicht geringen Freude, daß er einen sichern
und angenehmen Zufluchtsort, tiefer im Gebirge, für
mich gefunden habe, hob mich auf sein Pferd, das
er am Zügel führte, und wir traten den Weg nach
dem mir verheißenen Asyle an.

Wie er mir erzählte, war er so glücklich gewe-
sen, einer noch ziemlich jungen Wittwe, einer Pach-
terfrau, durch seine Geschicklichkeit das einzige, von
andern Aerzten bereits aufgegebene Kind zu retten

ſagte er; „ich muß wieder fort: meine Geſchäfte ru-
fen mich nach *** zurück, und mehr noch, daß ich
vor allen Dingen eine zugleich ſichere und bequeme
Zufluchtsſtätte für dich zu ſuchen habe. Du mußt
ſtark ſeyn und mir gänzlich vertrauen, Dina!“

Jch weinte, allein ich war bemüht, meine Thrä-
nen vor ihm zu verbergen, weil ich fürchten mußte,
ihn dadurch zu betrüben. Eine Stunde blieb er bei
mir, bereitete mir ein Lager von ſeinem Mantel und
den mitgebrachten Decken, legte die Lebensmittel wie-
der in den Korb, damit ich während des nächſten Ta-
ges nicht Hunger zu leiden brauchte, küßte mich beim
Abſchiede zärtlich und verließ die Höhle, um ſein in
einiger Entfernung von derſelben angebundenes Pferd
wieder zu beſteigen.

Auf ſolche Weiſe brachte ich einen ganzen Monat
in der Abgeſchiedenheit zu. Dann ſagte mir Braun,
zu meiner nicht geringen Freude, daß er einen ſichern
und angenehmen Zufluchtsort, tiefer im Gebirge, für
mich gefunden habe, hob mich auf ſein Pferd, das
er am Zügel führte, und wir traten den Weg nach
dem mir verheißenen Aſyle an.

Wie er mir erzählte, war er ſo glücklich gewe-
ſen, einer noch ziemlich jungen Wittwe, einer Pach-
terfrau, durch ſeine Geſchicklichkeit das einzige, von
andern Aerzten bereits aufgegebene Kind zu retten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="128"/>
&#x017F;agte er; &#x201E;ich muß wieder fort: meine Ge&#x017F;chäfte ru-<lb/>
fen mich nach *** zurück, und mehr noch, daß ich<lb/>
vor allen Dingen eine zugleich &#x017F;ichere und bequeme<lb/>
Zufluchts&#x017F;tätte für dich zu &#x017F;uchen habe. Du mußt<lb/>
&#x017F;tark &#x017F;eyn und mir gänzlich vertrauen, Dina!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch weinte, allein ich war bemüht, meine Thrä-<lb/>
nen vor ihm zu verbergen, weil ich fürchten mußte,<lb/>
ihn dadurch zu betrüben. Eine Stunde blieb er bei<lb/>
mir, bereitete mir ein Lager von &#x017F;einem Mantel und<lb/>
den mitgebrachten Decken, legte die Lebensmittel wie-<lb/>
der in den Korb, damit ich während des näch&#x017F;ten Ta-<lb/>
ges nicht Hunger zu leiden brauchte, küßte mich beim<lb/>
Ab&#x017F;chiede zärtlich und verließ die Höhle, um &#x017F;ein in<lb/>
einiger Entfernung von der&#x017F;elben angebundenes Pferd<lb/>
wieder zu be&#x017F;teigen.</p><lb/>
        <p>Auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e brachte ich einen ganzen Monat<lb/>
in der Abge&#x017F;chiedenheit zu. Dann &#x017F;agte mir Braun,<lb/>
zu meiner nicht geringen Freude, daß er einen &#x017F;ichern<lb/>
und angenehmen Zufluchtsort, tiefer im Gebirge, für<lb/>
mich gefunden habe, hob mich auf &#x017F;ein Pferd, das<lb/>
er am Zügel führte, und wir traten den Weg nach<lb/>
dem mir verheißenen A&#x017F;yle an.</p><lb/>
        <p>Wie er mir erzählte, war er &#x017F;o glücklich gewe-<lb/>
&#x017F;en, einer noch ziemlich jungen Wittwe, einer Pach-<lb/>
terfrau, durch &#x017F;eine Ge&#x017F;chicklichkeit das einzige, von<lb/>
andern Aerzten bereits aufgegebene Kind zu retten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0134] ſagte er; „ich muß wieder fort: meine Geſchäfte ru- fen mich nach *** zurück, und mehr noch, daß ich vor allen Dingen eine zugleich ſichere und bequeme Zufluchtsſtätte für dich zu ſuchen habe. Du mußt ſtark ſeyn und mir gänzlich vertrauen, Dina!“ Jch weinte, allein ich war bemüht, meine Thrä- nen vor ihm zu verbergen, weil ich fürchten mußte, ihn dadurch zu betrüben. Eine Stunde blieb er bei mir, bereitete mir ein Lager von ſeinem Mantel und den mitgebrachten Decken, legte die Lebensmittel wie- der in den Korb, damit ich während des nächſten Ta- ges nicht Hunger zu leiden brauchte, küßte mich beim Abſchiede zärtlich und verließ die Höhle, um ſein in einiger Entfernung von derſelben angebundenes Pferd wieder zu beſteigen. Auf ſolche Weiſe brachte ich einen ganzen Monat in der Abgeſchiedenheit zu. Dann ſagte mir Braun, zu meiner nicht geringen Freude, daß er einen ſichern und angenehmen Zufluchtsort, tiefer im Gebirge, für mich gefunden habe, hob mich auf ſein Pferd, das er am Zügel führte, und wir traten den Weg nach dem mir verheißenen Aſyle an. Wie er mir erzählte, war er ſo glücklich gewe- ſen, einer noch ziemlich jungen Wittwe, einer Pach- terfrau, durch ſeine Geſchicklichkeit das einzige, von andern Aerzten bereits aufgegebene Kind zu retten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/134
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/134>, abgerufen am 29.11.2024.