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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Jhrer Meinung falschen Göttern Opfer gebracht wur-
den, trotzdem gingen Sie darauf aus, einen neuen zu
erbauen und einen -- verzeihen Sie! -- wahrhaft ab-
geschmackten, ja lächerlichen, Cultus einzuführen?
Rede ich nicht zu dem Stifter des Mormonismus
und läßt dieser sich nicht von der irregeführten Menge
Prophet nennen?" fuhr er eifriger fort. "Weshalb,
ich frage Sie im Angesichte Gottes, weshalb, wenn
Sie die Wahrheit erkannt hatten, verheimlichten Sie
sie vor Denen, die Jhnen ihr Vertrauen schenkten?
Weshalb stürzten Sie den einen Baal vom Altare, um
einen andern an seine Stelle zu setzen?"

-- "Weil ich bei reiflicherem Nachdenken fand,
daß die Menge eines solchen nicht entrathen kann,"
versetzte Joe mit ruhigem Tone. "Das Beispiel Tho-
mas Paines, des großen Denkers, des reinen Dei-
sten -- und auch ich bin ein Deist -- hat gezeigt,"
fuhr er nach einer Pause fort, "daß die Masse noch
nicht reif für die großen Wahrheiten, daß sie noch
immer ein Kind ist, dem man ein Spielzeug in die
Hand geben muß, damit es sich ruhig verhalte und
keine Thorheiten begehe. Thomas Paine, ein Men-
schenfreund, wie es wenige gab, ein Forscher und
Denker, wie jedes Jahrhundert kaum einen hervor-
bringt, stellte in seinen unsterblichen Schriften die
Wahrheit, den reinen Deismus, nackt, von allem

Jhrer Meinung falſchen Göttern Opfer gebracht wur-
den, trotzdem gingen Sie darauf aus, einen neuen zu
erbauen und einen — verzeihen Sie! — wahrhaft ab-
geſchmackten, ja lächerlichen, Cultus einzuführen?
Rede ich nicht zu dem Stifter des Mormonismus
und läßt dieſer ſich nicht von der irregeführten Menge
Prophet nennen?“ fuhr er eifriger fort. „Weshalb,
ich frage Sie im Angeſichte Gottes, weshalb, wenn
Sie die Wahrheit erkannt hatten, verheimlichten Sie
ſie vor Denen, die Jhnen ihr Vertrauen ſchenkten?
Weshalb ſtürzten Sie den einen Baal vom Altare, um
einen andern an ſeine Stelle zu ſetzen?“

— „Weil ich bei reiflicherem Nachdenken fand,
daß die Menge eines ſolchen nicht entrathen kann,“
verſetzte Joe mit ruhigem Tone. „Das Beiſpiel Tho-
mas Paines, des großen Denkers, des reinen Dei-
ſten — und auch ich bin ein Deiſt — hat gezeigt,“
fuhr er nach einer Pauſe fort, „daß die Maſſe noch
nicht reif für die großen Wahrheiten, daß ſie noch
immer ein Kind iſt, dem man ein Spielzeug in die
Hand geben muß, damit es ſich ruhig verhalte und
keine Thorheiten begehe. Thomas Paine, ein Men-
ſchenfreund, wie es wenige gab, ein Forſcher und
Denker, wie jedes Jahrhundert kaum einen hervor-
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[87/0095] Jhrer Meinung falſchen Göttern Opfer gebracht wur- den, trotzdem gingen Sie darauf aus, einen neuen zu erbauen und einen — verzeihen Sie! — wahrhaft ab- geſchmackten, ja lächerlichen, Cultus einzuführen? Rede ich nicht zu dem Stifter des Mormonismus und läßt dieſer ſich nicht von der irregeführten Menge Prophet nennen?“ fuhr er eifriger fort. „Weshalb, ich frage Sie im Angeſichte Gottes, weshalb, wenn Sie die Wahrheit erkannt hatten, verheimlichten Sie ſie vor Denen, die Jhnen ihr Vertrauen ſchenkten? Weshalb ſtürzten Sie den einen Baal vom Altare, um einen andern an ſeine Stelle zu ſetzen?“ — „Weil ich bei reiflicherem Nachdenken fand, daß die Menge eines ſolchen nicht entrathen kann,“ verſetzte Joe mit ruhigem Tone. „Das Beiſpiel Tho- mas Paines, des großen Denkers, des reinen Dei- ſten — und auch ich bin ein Deiſt — hat gezeigt,“ fuhr er nach einer Pauſe fort, „daß die Maſſe noch nicht reif für die großen Wahrheiten, daß ſie noch immer ein Kind iſt, dem man ein Spielzeug in die Hand geben muß, damit es ſich ruhig verhalte und keine Thorheiten begehe. Thomas Paine, ein Men- ſchenfreund, wie es wenige gab, ein Forſcher und Denker, wie jedes Jahrhundert kaum einen hervor- bringt, ſtellte in ſeinen unſterblichen Schriften die Wahrheit, den reinen Deismus, nackt, von allem

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/95>, abgerufen am 28.11.2024.