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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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decken, aufheben und vielleicht Dina's Handschrift
darauf erkennen möge.

-- "Und Dina?" fragte Joe mit dem Tone
herzinniger Theilnahme. "Hat die Unglückliche Jhnen
während meiner Abwesenheit nicht etwa Furcht und
Angst durch ihre bösen Zufälle eingeflößt? Wer mit
ihrem Zustande nicht bekannt ist, kann sehr dadurch
erschreckt werden."

-- "Das war gestern der Fall," versetzte der
Gefragte: "sie hatte Blutspeien und schien mir dem
Tode sehr nahe zu seyn."

-- "Jch fürchtete wohl, daß sie Sie und Marie
erschrecken würde," war die Antwort, "und eben
aus diesem Grunde war mir meine lange Abwesenheit
peinlich. Die Unglückliche will sich keinem andern
Arzte als mir anvertrauen und dieser Eigensinn ver-
ursacht meiner Tochter und mir nicht wenig Kummer
und Unruhe. -- Zwar ist keine Rettung möglich,
zwar ist Dina schon dem sichern Tode geweiht," fuhr
er nach einer Pause fort, als Arnold ihm die viel-
leicht erwartete Antwort, indignirt wie er über die
Heuchelei des Propheten war, schuldig blieb; "zwar
steht die Kunst diesem Uebel gegenüber recht erbärm-
lich da und hat sich allein auf die Euthanasie zu be-
schränken; allein zu der letztern stehen ihr eine Menge

decken, aufheben und vielleicht Dina’s Handſchrift
darauf erkennen möge.

— „Und Dina?“ fragte Joe mit dem Tone
herzinniger Theilnahme. „Hat die Unglückliche Jhnen
während meiner Abweſenheit nicht etwa Furcht und
Angſt durch ihre böſen Zufälle eingeflößt? Wer mit
ihrem Zuſtande nicht bekannt iſt, kann ſehr dadurch
erſchreckt werden.“

— „Das war geſtern der Fall,“ verſetzte der
Gefragte: „ſie hatte Blutſpeien und ſchien mir dem
Tode ſehr nahe zu ſeyn.“

— „Jch fürchtete wohl, daß ſie Sie und Marie
erſchrecken würde,“ war die Antwort, „und eben
aus dieſem Grunde war mir meine lange Abweſenheit
peinlich. Die Unglückliche will ſich keinem andern
Arzte als mir anvertrauen und dieſer Eigenſinn ver-
urſacht meiner Tochter und mir nicht wenig Kummer
und Unruhe. — Zwar iſt keine Rettung möglich,
zwar iſt Dina ſchon dem ſichern Tode geweiht,“ fuhr
er nach einer Pauſe fort, als Arnold ihm die viel-
leicht erwartete Antwort, indignirt wie er über die
Heuchelei des Propheten war, ſchuldig blieb; „zwar
ſteht die Kunſt dieſem Uebel gegenüber recht erbärm-
lich da und hat ſich allein auf die Euthanaſie zu be-
ſchränken; allein zu der letztern ſtehen ihr eine Menge

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[180/0188] decken, aufheben und vielleicht Dina’s Handſchrift darauf erkennen möge. — „Und Dina?“ fragte Joe mit dem Tone herzinniger Theilnahme. „Hat die Unglückliche Jhnen während meiner Abweſenheit nicht etwa Furcht und Angſt durch ihre böſen Zufälle eingeflößt? Wer mit ihrem Zuſtande nicht bekannt iſt, kann ſehr dadurch erſchreckt werden.“ — „Das war geſtern der Fall,“ verſetzte der Gefragte: „ſie hatte Blutſpeien und ſchien mir dem Tode ſehr nahe zu ſeyn.“ — „Jch fürchtete wohl, daß ſie Sie und Marie erſchrecken würde,“ war die Antwort, „und eben aus dieſem Grunde war mir meine lange Abweſenheit peinlich. Die Unglückliche will ſich keinem andern Arzte als mir anvertrauen und dieſer Eigenſinn ver- urſacht meiner Tochter und mir nicht wenig Kummer und Unruhe. — Zwar iſt keine Rettung möglich, zwar iſt Dina ſchon dem ſichern Tode geweiht,“ fuhr er nach einer Pauſe fort, als Arnold ihm die viel- leicht erwartete Antwort, indignirt wie er über die Heuchelei des Propheten war, ſchuldig blieb; „zwar ſteht die Kunſt dieſem Uebel gegenüber recht erbärm- lich da und hat ſich allein auf die Euthanaſie zu be- ſchränken; allein zu der letztern ſtehen ihr eine Menge

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/188>, abgerufen am 05.12.2024.