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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Sie wollte sich mit diesen Worten vom Stuhl
erheben, wahrscheinlich, um das Zimmer zu verlassen;
allein ihre Schwäche war so groß, daß sie es nicht
vermochte und wie in gänzlicher Erschöpfung auf ih-
ren Sitz zurücksank. Sie neigte das bleiche Haupt
auf die Brust hinab und saß einige Augenblicke mit
geschlossenen Augen da; dann schauderte sie zusam-
men, öffnete die Augen wieder und blickte, wie in
Todesangst, um sich her, wobei große Schweißtropfen
auf ihrer alabasterweißen Stirn perlten.

Arnold fürchtete, daß sie von dem Stuhle zu
Boden fallen möge und nahm sie in seine Arme, um
sie auf's Sopha zu tragen; es fehlte ihr an Kraft,
das zu verhindern. Sanft legte er sie auf die Kissen
des Sophas nieder; ein dankender Blick aus ihrem
Auge traf seinen Blick; dann schoß ein Strom von
Blut zwischen den bleichen Lippen hervor, den sie mit
dem vorgehaltenen Tuche aufzufangen bemüht war,
und zugleich bekam ihre gepreßte Brust wieder Athem,
der ihr bisher gefehlt hatte.

-- "Nun ist es gut, nun ist es vorüber!" sagte
sie mit kaum vernehmbarer Stimme, indem sie sich
die feuchten Locken aus der Stirn strich. "Verzeihen
Sie, daß ich Sie beunruhigte, Sir," fügte sie mit
einem Blick der innigsten Dankbarkeit auf Arnold
hinzu; "wie gern hätte ich Jhnen den unangenehmen

Sie wollte ſich mit dieſen Worten vom Stuhl
erheben, wahrſcheinlich, um das Zimmer zu verlaſſen;
allein ihre Schwäche war ſo groß, daß ſie es nicht
vermochte und wie in gänzlicher Erſchöpfung auf ih-
ren Sitz zurückſank. Sie neigte das bleiche Haupt
auf die Bruſt hinab und ſaß einige Augenblicke mit
geſchloſſenen Augen da; dann ſchauderte ſie zuſam-
men, öffnete die Augen wieder und blickte, wie in
Todesangſt, um ſich her, wobei große Schweißtropfen
auf ihrer alabaſterweißen Stirn perlten.

Arnold fürchtete, daß ſie von dem Stuhle zu
Boden fallen möge und nahm ſie in ſeine Arme, um
ſie auf’s Sopha zu tragen; es fehlte ihr an Kraft,
das zu verhindern. Sanft legte er ſie auf die Kiſſen
des Sophas nieder; ein dankender Blick aus ihrem
Auge traf ſeinen Blick; dann ſchoß ein Strom von
Blut zwiſchen den bleichen Lippen hervor, den ſie mit
dem vorgehaltenen Tuche aufzufangen bemüht war,
und zugleich bekam ihre gepreßte Bruſt wieder Athem,
der ihr bisher gefehlt hatte.

— „Nun iſt es gut, nun iſt es vorüber!“ ſagte
ſie mit kaum vernehmbarer Stimme, indem ſie ſich
die feuchten Locken aus der Stirn ſtrich. „Verzeihen
Sie, daß ich Sie beunruhigte, Sir,“ fügte ſie mit
einem Blick der innigſten Dankbarkeit auf Arnold
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[157/0165] Sie wollte ſich mit dieſen Worten vom Stuhl erheben, wahrſcheinlich, um das Zimmer zu verlaſſen; allein ihre Schwäche war ſo groß, daß ſie es nicht vermochte und wie in gänzlicher Erſchöpfung auf ih- ren Sitz zurückſank. Sie neigte das bleiche Haupt auf die Bruſt hinab und ſaß einige Augenblicke mit geſchloſſenen Augen da; dann ſchauderte ſie zuſam- men, öffnete die Augen wieder und blickte, wie in Todesangſt, um ſich her, wobei große Schweißtropfen auf ihrer alabaſterweißen Stirn perlten. Arnold fürchtete, daß ſie von dem Stuhle zu Boden fallen möge und nahm ſie in ſeine Arme, um ſie auf’s Sopha zu tragen; es fehlte ihr an Kraft, das zu verhindern. Sanft legte er ſie auf die Kiſſen des Sophas nieder; ein dankender Blick aus ihrem Auge traf ſeinen Blick; dann ſchoß ein Strom von Blut zwiſchen den bleichen Lippen hervor, den ſie mit dem vorgehaltenen Tuche aufzufangen bemüht war, und zugleich bekam ihre gepreßte Bruſt wieder Athem, der ihr bisher gefehlt hatte. — „Nun iſt es gut, nun iſt es vorüber!“ ſagte ſie mit kaum vernehmbarer Stimme, indem ſie ſich die feuchten Locken aus der Stirn ſtrich. „Verzeihen Sie, daß ich Sie beunruhigte, Sir,“ fügte ſie mit einem Blick der innigſten Dankbarkeit auf Arnold hinzu; „wie gern hätte ich Jhnen den unangenehmen

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/165>, abgerufen am 29.11.2024.