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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Marie, die ihn hatte fangen wollen, deren Ab-
sicht gewesen war, ihn in ihre Netze zu locken, um
sich einige Unterhaltung in der ihr immer lästiger wer-
denden Abgeschiedenheit von der Welt zu verschaffen,
Marie hatte sich in der eigenen Schlinge gefangen
und brannte bald in der heftigsten Leidenschaft für
den Mann, mit dem sie ein so heilloses Spiel trei-
ben, den sie unglücklich hatte machen wollen, und je
geflissentlicher Arnold sich von ihr zurückzog, desto
mächtiger loderte eine fast an Wahnsinn grenzende
Liebe für ihn in ihrem Herzen empor. Auf diese
Weise rächte sich die seither von ihr mißbrauchte
Liebe an ihrem Herzen, das jetzt im verdoppel-
ten Maße alle die Schmerzen empfinden mußte, die
sie früher Andern in ihrer kalten Gefallsucht berei-
tet hatte.

Sie besaß zu wenig Bildung und Selbstbe-
herrschung, um den Zustand ihres Jnnern vor dem
Gegenstande ihrer Leidenschaft verbergen zu können,
und jetzt erst flößte sie Arnolden Mitleid, Theilnahme
ein, die kein edler Mann dem Weibe versagen wird,
von dem er sich wahrhaft geliebt weiß, selbst wenn
er diese Liebe nicht erwiedern kann. Seine Stellung
Marien gegenüber wurde dadurch fast unhaltbar und
er sehnte sich mit jedem Tage mehr und mehr dar-
nach, sich seines Wächteramts überhoben und sich durch

Marie, die ihn hatte fangen wollen, deren Ab-
ſicht geweſen war, ihn in ihre Netze zu locken, um
ſich einige Unterhaltung in der ihr immer läſtiger wer-
denden Abgeſchiedenheit von der Welt zu verſchaffen,
Marie hatte ſich in der eigenen Schlinge gefangen
und brannte bald in der heftigſten Leidenſchaft für
den Mann, mit dem ſie ein ſo heilloſes Spiel trei-
ben, den ſie unglücklich hatte machen wollen, und je
gefliſſentlicher Arnold ſich von ihr zurückzog, deſto
mächtiger loderte eine faſt an Wahnſinn grenzende
Liebe für ihn in ihrem Herzen empor. Auf dieſe
Weiſe rächte ſich die ſeither von ihr mißbrauchte
Liebe an ihrem Herzen, das jetzt im verdoppel-
ten Maße alle die Schmerzen empfinden mußte, die
ſie früher Andern in ihrer kalten Gefallſucht berei-
tet hatte.

Sie beſaß zu wenig Bildung und Selbſtbe-
herrſchung, um den Zuſtand ihres Jnnern vor dem
Gegenſtande ihrer Leidenſchaft verbergen zu können,
und jetzt erſt flößte ſie Arnolden Mitleid, Theilnahme
ein, die kein edler Mann dem Weibe verſagen wird,
von dem er ſich wahrhaft geliebt weiß, ſelbſt wenn
er dieſe Liebe nicht erwiedern kann. Seine Stellung
Marien gegenüber wurde dadurch faſt unhaltbar und
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[152/0160] Marie, die ihn hatte fangen wollen, deren Ab- ſicht geweſen war, ihn in ihre Netze zu locken, um ſich einige Unterhaltung in der ihr immer läſtiger wer- denden Abgeſchiedenheit von der Welt zu verſchaffen, Marie hatte ſich in der eigenen Schlinge gefangen und brannte bald in der heftigſten Leidenſchaft für den Mann, mit dem ſie ein ſo heilloſes Spiel trei- ben, den ſie unglücklich hatte machen wollen, und je gefliſſentlicher Arnold ſich von ihr zurückzog, deſto mächtiger loderte eine faſt an Wahnſinn grenzende Liebe für ihn in ihrem Herzen empor. Auf dieſe Weiſe rächte ſich die ſeither von ihr mißbrauchte Liebe an ihrem Herzen, das jetzt im verdoppel- ten Maße alle die Schmerzen empfinden mußte, die ſie früher Andern in ihrer kalten Gefallſucht berei- tet hatte. Sie beſaß zu wenig Bildung und Selbſtbe- herrſchung, um den Zuſtand ihres Jnnern vor dem Gegenſtande ihrer Leidenſchaft verbergen zu können, und jetzt erſt flößte ſie Arnolden Mitleid, Theilnahme ein, die kein edler Mann dem Weibe verſagen wird, von dem er ſich wahrhaft geliebt weiß, ſelbſt wenn er dieſe Liebe nicht erwiedern kann. Seine Stellung Marien gegenüber wurde dadurch faſt unhaltbar und er ſehnte ſich mit jedem Tage mehr und mehr dar- nach, ſich ſeines Wächteramts überhoben und ſich durch

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/160>, abgerufen am 28.11.2024.