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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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hob er eine ihrem Busen entfallene Rose sorgfältig
auf und steckte sie an seine Brust; aber sie wollte
mehr: sie wollte ihn um Liebe flehend zu ihren Füßen
sehen, sie wollte das Geständniß von seinen Lippen
vernehmen, daß es für ihn kein Glück mehr auf Er-
den gäbe, außer dem, von ihr geliebt zu werden, und
Arnold that von allem Diesen nichts: er blieb immer
nur galant gegen sie und verstieg sich nie zur Zärt-
lichkeit, ließ nie ein Wort entschlüpfen, das sie zu
der Annahme hätte berechtigen können, daß sie seinem
Herzen etwas sei.

Sie wußte sich das nicht zu erklären, denn sie
vertraute der Macht ihrer Schönheit zu sehr, als daß
sie hätte annehmen können, daß die von Arnolden
gezeigte Ruhe und Kälte ihr gegenüber eine natürliche
sei. Sie suchte endlich die Ursache der sie beunruhi-
genden Erscheinung in der Schüchternheit, in der all-
zu großen Bescheidenheit des jungen Mannes und spähte
eifrig nach einer Gelegenheit, ihn dazu zu ermuthi-
gen, mit den geheimen Wünschen seines Herzens offen
gegen sie hervorzutreten; allein Arnold durchschaute
sie auch hierin, und da ihm daran gelegen war, das
Verhältniß, so wie es jetzt bestand, bis zur Rückkehr
des Propheten zu erhalten, vermied er mit eben so
großer Klugheit als Sorgfalt die ihm von ihr geleg-
ten Schlingen.

hob er eine ihrem Buſen entfallene Roſe ſorgfältig
auf und ſteckte ſie an ſeine Bruſt; aber ſie wollte
mehr: ſie wollte ihn um Liebe flehend zu ihren Füßen
ſehen, ſie wollte das Geſtändniß von ſeinen Lippen
vernehmen, daß es für ihn kein Glück mehr auf Er-
den gäbe, außer dem, von ihr geliebt zu werden, und
Arnold that von allem Dieſen nichts: er blieb immer
nur galant gegen ſie und verſtieg ſich nie zur Zärt-
lichkeit, ließ nie ein Wort entſchlüpfen, das ſie zu
der Annahme hätte berechtigen können, daß ſie ſeinem
Herzen etwas ſei.

Sie wußte ſich das nicht zu erklären, denn ſie
vertraute der Macht ihrer Schönheit zu ſehr, als daß
ſie hätte annehmen können, daß die von Arnolden
gezeigte Ruhe und Kälte ihr gegenüber eine natürliche
ſei. Sie ſuchte endlich die Urſache der ſie beunruhi-
genden Erſcheinung in der Schüchternheit, in der all-
zu großen Beſcheidenheit des jungen Mannes und ſpähte
eifrig nach einer Gelegenheit, ihn dazu zu ermuthi-
gen, mit den geheimen Wünſchen ſeines Herzens offen
gegen ſie hervorzutreten; allein Arnold durchſchaute
ſie auch hierin, und da ihm daran gelegen war, das
Verhältniß, ſo wie es jetzt beſtand, bis zur Rückkehr
des Propheten zu erhalten, vermied er mit eben ſo
großer Klugheit als Sorgfalt die ihm von ihr geleg-
ten Schlingen.

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[151/0159] hob er eine ihrem Buſen entfallene Roſe ſorgfältig auf und ſteckte ſie an ſeine Bruſt; aber ſie wollte mehr: ſie wollte ihn um Liebe flehend zu ihren Füßen ſehen, ſie wollte das Geſtändniß von ſeinen Lippen vernehmen, daß es für ihn kein Glück mehr auf Er- den gäbe, außer dem, von ihr geliebt zu werden, und Arnold that von allem Dieſen nichts: er blieb immer nur galant gegen ſie und verſtieg ſich nie zur Zärt- lichkeit, ließ nie ein Wort entſchlüpfen, das ſie zu der Annahme hätte berechtigen können, daß ſie ſeinem Herzen etwas ſei. Sie wußte ſich das nicht zu erklären, denn ſie vertraute der Macht ihrer Schönheit zu ſehr, als daß ſie hätte annehmen können, daß die von Arnolden gezeigte Ruhe und Kälte ihr gegenüber eine natürliche ſei. Sie ſuchte endlich die Urſache der ſie beunruhi- genden Erſcheinung in der Schüchternheit, in der all- zu großen Beſcheidenheit des jungen Mannes und ſpähte eifrig nach einer Gelegenheit, ihn dazu zu ermuthi- gen, mit den geheimen Wünſchen ſeines Herzens offen gegen ſie hervorzutreten; allein Arnold durchſchaute ſie auch hierin, und da ihm daran gelegen war, das Verhältniß, ſo wie es jetzt beſtand, bis zur Rückkehr des Propheten zu erhalten, vermied er mit eben ſo großer Klugheit als Sorgfalt die ihm von ihr geleg- ten Schlingen.

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/159>, abgerufen am 28.11.2024.