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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Da er den Gedanken an Dina immer wieder auf-
nehmen, sich in Bezug auf sie immer wieder dieselben
Fragen vorlegen mußte, beschlich ihn die Furcht, daß
sie vielleicht gar einen unheilvollen Eindruck auf ihn
gemacht haben möge und er erbebte vor dem Gedan-
ken, in Liebe zu einem dem Grabe geweihten Wesen
entbrannt zu seyn. Allein diese Furcht war eitel und
Folge der Unbekanntschaft seines Herzens mit dem
wahren Wesen der Liebe: es war allein das Mitleid,
und zwar ein so tiefes, inniges, wie er es noch nie
zuvor gefühlt hatte, das ihn zu Dina hinzog; er
hätte sein Leben für sie hingeben mögen, allein Wunsch
und Begehren schwiegen dieser dem nahen Tode Ge-
weihten gegenüber.

Ganz kalt hatte ihn dagegen Marie, trotz ihrer
außerordentlichen Reize, gelassen; diese verblendeten ihn
nur im ersten Augenblick und vielleicht auch nur in Folge
der Aufregung, die ihr wahrhaft überirdischer Gesang
in ihm hervorgerufen hatte. Sowie er sie länger sah,
sowie er sie reden hörte, war der Zauber entwichen,
mit dem sie seine Sinne einen Augenblick umstrickt hatte,
und er mußte sich sagen, daß sie eine jener Schönheiten
sei, die nur auf das Herz unbedeutender Männer Ein-
druck zu machen im Stande sind, indem ihr jene hö-
heren Reize abgingen, die allein hohe Bildung und
der Adel der Seele den Frauen verleihen.

Da er den Gedanken an Dina immer wieder auf-
nehmen, ſich in Bezug auf ſie immer wieder dieſelben
Fragen vorlegen mußte, beſchlich ihn die Furcht, daß
ſie vielleicht gar einen unheilvollen Eindruck auf ihn
gemacht haben möge und er erbebte vor dem Gedan-
ken, in Liebe zu einem dem Grabe geweihten Weſen
entbrannt zu ſeyn. Allein dieſe Furcht war eitel und
Folge der Unbekanntſchaft ſeines Herzens mit dem
wahren Weſen der Liebe: es war allein das Mitleid,
und zwar ein ſo tiefes, inniges, wie er es noch nie
zuvor gefühlt hatte, das ihn zu Dina hinzog; er
hätte ſein Leben für ſie hingeben mögen, allein Wunſch
und Begehren ſchwiegen dieſer dem nahen Tode Ge-
weihten gegenüber.

Ganz kalt hatte ihn dagegen Marie, trotz ihrer
außerordentlichen Reize, gelaſſen; dieſe verblendeten ihn
nur im erſten Augenblick und vielleicht auch nur in Folge
der Aufregung, die ihr wahrhaft überirdiſcher Geſang
in ihm hervorgerufen hatte. Sowie er ſie länger ſah,
ſowie er ſie reden hörte, war der Zauber entwichen,
mit dem ſie ſeine Sinne einen Augenblick umſtrickt hatte,
und er mußte ſich ſagen, daß ſie eine jener Schönheiten
ſei, die nur auf das Herz unbedeutender Männer Ein-
druck zu machen im Stande ſind, indem ihr jene hö-
heren Reize abgingen, die allein hohe Bildung und
der Adel der Seele den Frauen verleihen.

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[121/0129] Da er den Gedanken an Dina immer wieder auf- nehmen, ſich in Bezug auf ſie immer wieder dieſelben Fragen vorlegen mußte, beſchlich ihn die Furcht, daß ſie vielleicht gar einen unheilvollen Eindruck auf ihn gemacht haben möge und er erbebte vor dem Gedan- ken, in Liebe zu einem dem Grabe geweihten Weſen entbrannt zu ſeyn. Allein dieſe Furcht war eitel und Folge der Unbekanntſchaft ſeines Herzens mit dem wahren Weſen der Liebe: es war allein das Mitleid, und zwar ein ſo tiefes, inniges, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte, das ihn zu Dina hinzog; er hätte ſein Leben für ſie hingeben mögen, allein Wunſch und Begehren ſchwiegen dieſer dem nahen Tode Ge- weihten gegenüber. Ganz kalt hatte ihn dagegen Marie, trotz ihrer außerordentlichen Reize, gelaſſen; dieſe verblendeten ihn nur im erſten Augenblick und vielleicht auch nur in Folge der Aufregung, die ihr wahrhaft überirdiſcher Geſang in ihm hervorgerufen hatte. Sowie er ſie länger ſah, ſowie er ſie reden hörte, war der Zauber entwichen, mit dem ſie ſeine Sinne einen Augenblick umſtrickt hatte, und er mußte ſich ſagen, daß ſie eine jener Schönheiten ſei, die nur auf das Herz unbedeutender Männer Ein- druck zu machen im Stande ſind, indem ihr jene hö- heren Reize abgingen, die allein hohe Bildung und der Adel der Seele den Frauen verleihen.

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/129>, abgerufen am 24.11.2024.