sieht, daß seine Kniee nur vor Gott sich beugen können, sein Sohn, ein Jüngling im blühenden Frühling des Lebens. Sankt Dionysius steht hinter dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach- gebildeter, halb abgehauener Schädel ist ein neuer Beweis, wie schonend ächte Kunst auch einen an sich abschreckenden Gegenstand zu behandeln weiß. Jm Paradiese blutet keine Wunde, daher ist auch an dieser keine blutige Spur mehr zu erblicken, und der Heiligenschein, der das so wunderbar verkürzte Haupt umgibt, verschmilzt so kunstreich mit dem- selben und dem hellen Hintergrunde, daß alles Widerliche, sogar fast alles Auffallende des Anblicks vermieden ist. Neben dem Sohne steht im glän- zenden Waffenschmuck der ritterliche Heilige, Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter seinen Füßen.
Des Ritters treue Hausfrau, im schwarzen Festgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span- gen geschmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in einer sehr heitern blühenden Landschaft; neben ihr ihre Tochter, das reinste Bild sittsamer und an-
ſieht, daß ſeine Kniee nur vor Gott ſich beugen können, ſein Sohn, ein Jüngling im blühenden Frühling des Lebens. Sankt Dionyſius ſteht hinter dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach- gebildeter, halb abgehauener Schädel iſt ein neuer Beweis, wie ſchonend ächte Kunſt auch einen an ſich abſchreckenden Gegenſtand zu behandeln weiß. Jm Paradieſe blutet keine Wunde, daher iſt auch an dieſer keine blutige Spur mehr zu erblicken, und der Heiligenſchein, der das ſo wunderbar verkürzte Haupt umgibt, verſchmilzt ſo kunſtreich mit dem- ſelben und dem hellen Hintergrunde, daß alles Widerliche, ſogar faſt alles Auffallende des Anblicks vermieden iſt. Neben dem Sohne ſteht im glän- zenden Waffenſchmuck der ritterliche Heilige, Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter ſeinen Füßen.
Des Ritters treue Hausfrau, im ſchwarzen Feſtgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span- gen geſchmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in einer ſehr heitern blühenden Landſchaft; neben ihr ihre Tochter, das reinſte Bild ſittſamer und an-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0097"n="87"/>ſieht, daß ſeine Kniee nur vor Gott ſich beugen<lb/>
können, ſein Sohn, ein Jüngling im blühenden<lb/>
Frühling des Lebens. Sankt Dionyſius ſteht hinter<lb/>
dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach-<lb/>
gebildeter, halb abgehauener Schädel iſt ein neuer<lb/>
Beweis, wie ſchonend ächte Kunſt auch einen an<lb/>ſich abſchreckenden Gegenſtand zu behandeln weiß.<lb/>
Jm Paradieſe blutet keine Wunde, daher iſt auch<lb/>
an dieſer keine blutige Spur mehr zu erblicken, und<lb/>
der Heiligenſchein, der das ſo wunderbar verkürzte<lb/>
Haupt umgibt, verſchmilzt ſo kunſtreich mit dem-<lb/>ſelben und dem hellen Hintergrunde, daß alles<lb/>
Widerliche, ſogar faſt alles Auffallende des Anblicks<lb/>
vermieden iſt. Neben dem Sohne ſteht im glän-<lb/>
zenden Waffenſchmuck der ritterliche Heilige,<lb/>
Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter ſeinen<lb/>
Füßen.</p><lb/><p>Des Ritters treue Hausfrau, im ſchwarzen<lb/>
Feſtgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span-<lb/>
gen geſchmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in<lb/>
einer ſehr heitern blühenden Landſchaft; neben ihr<lb/>
ihre Tochter, das reinſte Bild ſittſamer und an-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[87/0097]
ſieht, daß ſeine Kniee nur vor Gott ſich beugen
können, ſein Sohn, ein Jüngling im blühenden
Frühling des Lebens. Sankt Dionyſius ſteht hinter
dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach-
gebildeter, halb abgehauener Schädel iſt ein neuer
Beweis, wie ſchonend ächte Kunſt auch einen an
ſich abſchreckenden Gegenſtand zu behandeln weiß.
Jm Paradieſe blutet keine Wunde, daher iſt auch
an dieſer keine blutige Spur mehr zu erblicken, und
der Heiligenſchein, der das ſo wunderbar verkürzte
Haupt umgibt, verſchmilzt ſo kunſtreich mit dem-
ſelben und dem hellen Hintergrunde, daß alles
Widerliche, ſogar faſt alles Auffallende des Anblicks
vermieden iſt. Neben dem Sohne ſteht im glän-
zenden Waffenſchmuck der ritterliche Heilige,
Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter ſeinen
Füßen.
Des Ritters treue Hausfrau, im ſchwarzen
Feſtgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span-
gen geſchmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in
einer ſehr heitern blühenden Landſchaft; neben ihr
ihre Tochter, das reinſte Bild ſittſamer und an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/97>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.