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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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Jn der Brust des achtzehn oder neunzehnjährigen
Jünglings mußte gar bald heiße innige Liebe aus
diesem unschuldigen Vertrauen entstehen, aber das
zwölfjährige Mädchen war sich nur bewußt, ihm
herzlich gut zu seyn, und verheelte ihm dieß eben so
wenig, als ob er wirklich einer ihrer Brüder gewesen
wäre.

Das ging eine Weile so hin; süße Worte,
liebe Versprechen nie einander zu vergessen, wurden
gewechselt, und Schoreels ganzes Streben hätte
sich vielleicht in Liebe und Sehnsucht aufgelös't, wäre
er nicht kräftig genug gewesen, sich selbst aus dem
süßen Taumel empor zu reißen. Die Zukunft an
der Hand seines unbeschreiblich holden Mädchens
erschien ihm im himmlischen Glanz, aber auch die
Liebe zur Kunst sprach laut in seiner Brust. Er
bedachte seine eigne große Jugend, und die seiner
kaum den ersten Jahren der Kindheit entwachsenen
Geliebten, und beschloß hinaus zu gehen in die
Welt, sich auf jede Weise des Glücks würdig zu
machen, das ihm als einzig wünschenswerth erschien,
und dann erst heimzukehren, wenn er im Stande

Jn der Bruſt des achtzehn oder neunzehnjährigen
Jünglings mußte gar bald heiße innige Liebe aus
dieſem unſchuldigen Vertrauen entſtehen, aber das
zwölfjährige Mädchen war ſich nur bewußt, ihm
herzlich gut zu ſeyn, und verheelte ihm dieß eben ſo
wenig, als ob er wirklich einer ihrer Brüder geweſen
wäre.

Das ging eine Weile ſo hin; ſüße Worte,
liebe Verſprechen nie einander zu vergeſſen, wurden
gewechſelt, und Schoreels ganzes Streben hätte
ſich vielleicht in Liebe und Sehnſucht aufgelöſ’t, wäre
er nicht kräftig genug geweſen, ſich ſelbſt aus dem
ſüßen Taumel empor zu reißen. Die Zukunft an
der Hand ſeines unbeſchreiblich holden Mädchens
erſchien ihm im himmliſchen Glanz, aber auch die
Liebe zur Kunſt ſprach laut in ſeiner Bruſt. Er
bedachte ſeine eigne große Jugend, und die ſeiner
kaum den erſten Jahren der Kindheit entwachſenen
Geliebten, und beſchloß hinaus zu gehen in die
Welt, ſich auf jede Weiſe des Glücks würdig zu
machen, das ihm als einzig wünſchenswerth erſchien,
und dann erſt heimzukehren, wenn er im Stande

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[50/0060] Jn der Bruſt des achtzehn oder neunzehnjährigen Jünglings mußte gar bald heiße innige Liebe aus dieſem unſchuldigen Vertrauen entſtehen, aber das zwölfjährige Mädchen war ſich nur bewußt, ihm herzlich gut zu ſeyn, und verheelte ihm dieß eben ſo wenig, als ob er wirklich einer ihrer Brüder geweſen wäre. Das ging eine Weile ſo hin; ſüße Worte, liebe Verſprechen nie einander zu vergeſſen, wurden gewechſelt, und Schoreels ganzes Streben hätte ſich vielleicht in Liebe und Sehnſucht aufgelöſ’t, wäre er nicht kräftig genug geweſen, ſich ſelbſt aus dem ſüßen Taumel empor zu reißen. Die Zukunft an der Hand ſeines unbeſchreiblich holden Mädchens erſchien ihm im himmliſchen Glanz, aber auch die Liebe zur Kunſt ſprach laut in ſeiner Bruſt. Er bedachte ſeine eigne große Jugend, und die ſeiner kaum den erſten Jahren der Kindheit entwachſenen Geliebten, und beſchloß hinaus zu gehen in die Welt, ſich auf jede Weiſe des Glücks würdig zu machen, das ihm als einzig wünſchenswerth erſchien, und dann erſt heimzukehren, wenn er im Stande

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/60>, abgerufen am 25.11.2024.