Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

mochte, ist leicht zu erachten, aber er ertrug Alles,
denn er durfte ja zeichnen und malen den ganzen
Tag. Auch machte er in kurzer Zeit so schnelle und
so bedeutende Fortschritte, daß er schon im ersten
Jahr' im Stande war, seinem eigennützigen Lehr-
herrn durch seine Kunstarbeiten einen Gewinn von
mehr als hundert holländischen Gulden einzubringen;
eine sehr beträchtliche Summe in jener Zeit. Der
arme Knabe hatte aber leider mit einem, jeder
guten Empfindung unfähigen Menschen zu thun;
denn statt daß, wie zu erwarten stand, Fleiß und
Talent ihm wenigstens eine freundlichere Behandlung
seines Meisters erworben hätten, zogen diese Eigen-
schaften ihm nur Neid und Argwohn zu. Wilhelm
Cornelis konnte nicht ohne inneren Verdruß den
Fortschritten des Lehrlings zusehen, der ihn in
kurzem zu verdunkeln drohte, fand es hinwieder
aber auch zu bequem, müßig in der Schenke zu
sitzen, während dieser daheim für ihn Geld ver-
diente, als daß er nicht hätte dafür sorgen sollen,
sich einen solchen Arbeiter zu erhalten. Daß Liebe
und Freundlichkeit hier Alles thun könne, fiel ihm

mochte, iſt leicht zu erachten, aber er ertrug Alles,
denn er durfte ja zeichnen und malen den ganzen
Tag. Auch machte er in kurzer Zeit ſo ſchnelle und
ſo bedeutende Fortſchritte, daß er ſchon im erſten
Jahr’ im Stande war, ſeinem eigennützigen Lehr-
herrn durch ſeine Kunſtarbeiten einen Gewinn von
mehr als hundert holländiſchen Gulden einzubringen;
eine ſehr beträchtliche Summe in jener Zeit. Der
arme Knabe hatte aber leider mit einem, jeder
guten Empfindung unfähigen Menſchen zu thun;
denn ſtatt daß, wie zu erwarten ſtand, Fleiß und
Talent ihm wenigſtens eine freundlichere Behandlung
ſeines Meiſters erworben hätten, zogen dieſe Eigen-
ſchaften ihm nur Neid und Argwohn zu. Wilhelm
Cornelis konnte nicht ohne inneren Verdruß den
Fortſchritten des Lehrlings zuſehen, der ihn in
kurzem zu verdunkeln drohte, fand es hinwieder
aber auch zu bequem, müßig in der Schenke zu
ſitzen, während dieſer daheim für ihn Geld ver-
diente, als daß er nicht hätte dafür ſorgen ſollen,
ſich einen ſolchen Arbeiter zu erhalten. Daß Liebe
und Freundlichkeit hier Alles thun könne, fiel ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="42"/>
mochte, i&#x017F;t leicht zu erachten, aber er ertrug Alles,<lb/>
denn er durfte ja zeichnen und malen den ganzen<lb/>
Tag. Auch machte er in kurzer Zeit &#x017F;o &#x017F;chnelle und<lb/>
&#x017F;o bedeutende Fort&#x017F;chritte, daß er &#x017F;chon im er&#x017F;ten<lb/>
Jahr&#x2019; im Stande war, &#x017F;einem eigennützigen Lehr-<lb/>
herrn durch &#x017F;eine Kun&#x017F;tarbeiten einen Gewinn von<lb/>
mehr als hundert holländi&#x017F;chen Gulden einzubringen;<lb/>
eine &#x017F;ehr beträchtliche Summe in jener Zeit. Der<lb/>
arme Knabe hatte aber leider mit einem, jeder<lb/>
guten Empfindung unfähigen Men&#x017F;chen zu thun;<lb/>
denn &#x017F;tatt daß, wie zu erwarten &#x017F;tand, Fleiß und<lb/>
Talent ihm wenig&#x017F;tens eine freundlichere Behandlung<lb/>
&#x017F;eines Mei&#x017F;ters erworben hätten, zogen die&#x017F;e Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften ihm nur Neid und Argwohn zu. Wilhelm<lb/>
Cornelis konnte nicht ohne inneren Verdruß den<lb/>
Fort&#x017F;chritten des Lehrlings zu&#x017F;ehen, der ihn in<lb/>
kurzem zu verdunkeln drohte, fand es hinwieder<lb/>
aber auch zu bequem, müßig in der Schenke zu<lb/>
&#x017F;itzen, während die&#x017F;er daheim für ihn Geld ver-<lb/>
diente, als daß er nicht hätte dafür &#x017F;orgen &#x017F;ollen,<lb/>
&#x017F;ich einen &#x017F;olchen Arbeiter zu erhalten. Daß Liebe<lb/>
und Freundlichkeit hier Alles thun könne, fiel ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] mochte, iſt leicht zu erachten, aber er ertrug Alles, denn er durfte ja zeichnen und malen den ganzen Tag. Auch machte er in kurzer Zeit ſo ſchnelle und ſo bedeutende Fortſchritte, daß er ſchon im erſten Jahr’ im Stande war, ſeinem eigennützigen Lehr- herrn durch ſeine Kunſtarbeiten einen Gewinn von mehr als hundert holländiſchen Gulden einzubringen; eine ſehr beträchtliche Summe in jener Zeit. Der arme Knabe hatte aber leider mit einem, jeder guten Empfindung unfähigen Menſchen zu thun; denn ſtatt daß, wie zu erwarten ſtand, Fleiß und Talent ihm wenigſtens eine freundlichere Behandlung ſeines Meiſters erworben hätten, zogen dieſe Eigen- ſchaften ihm nur Neid und Argwohn zu. Wilhelm Cornelis konnte nicht ohne inneren Verdruß den Fortſchritten des Lehrlings zuſehen, der ihn in kurzem zu verdunkeln drohte, fand es hinwieder aber auch zu bequem, müßig in der Schenke zu ſitzen, während dieſer daheim für ihn Geld ver- diente, als daß er nicht hätte dafür ſorgen ſollen, ſich einen ſolchen Arbeiter zu erhalten. Daß Liebe und Freundlichkeit hier Alles thun könne, fiel ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/52
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/52>, abgerufen am 23.11.2024.