Jn Schoreel, einem kleinen holländischen Dorf, ohnweit Alkmaar, trat dieser seltne, von der Natur durch ihre edelste Gaben ausge- zeichnete Geist, am ersten August des Jahrs 1495 in das irdische Leben. Nahe Verwandte nahmen sich mit wahrhaft väterlicher Sorgfalt des verwaisten Knaben an, der in frühster Jugend beide Eltern verlor, und nun fromm und einfach unter Jener treuen Pflege heran wuchs. Sobald er das dazu gehörige Alter erreicht hatte, wurde er nach Alk- maar auf die Schule gebracht, wo er sich durch sittliches Betragen und schnelles Fortschreiten in Allem was ihm gelehrt ward, besonders in der latei- nischen Sprache, vor seinen Mitschülern auszeichnete. Was er auch unternahm, begünstigte ein seltnes Gelingen; seine natürlichen Fähigkeiten, sein großes Fassungsvermögen, machten ihm auch das Schwerste leicht, doch sein angeborner Beruf zur bildenden Kunst trat vor Allem auffallend vor und äußerte sich sogar in seinen kindischen Spielen. Die ihm
Johann von Schoreel.
Jn Schoreel, einem kleinen holländiſchen Dorf, ohnweit Alkmaar, trat dieſer ſeltne, von der Natur durch ihre edelſte Gaben ausge- zeichnete Geiſt, am erſten Auguſt des Jahrs 1495 in das irdiſche Leben. Nahe Verwandte nahmen ſich mit wahrhaft väterlicher Sorgfalt des verwaisten Knaben an, der in frühſter Jugend beide Eltern verlor, und nun fromm und einfach unter Jener treuen Pflege heran wuchs. Sobald er das dazu gehörige Alter erreicht hatte, wurde er nach Alk- maar auf die Schule gebracht, wo er ſich durch ſittliches Betragen und ſchnelles Fortſchreiten in Allem was ihm gelehrt ward, beſonders in der latei- niſchen Sprache, vor ſeinen Mitſchülern auszeichnete. Was er auch unternahm, begünſtigte ein ſeltnes Gelingen; ſeine natürlichen Fähigkeiten, ſein großes Faſſungsvermögen, machten ihm auch das Schwerſte leicht, doch ſein angeborner Beruf zur bildenden Kunſt trat vor Allem auffallend vor und äußerte ſich ſogar in ſeinen kindiſchen Spielen. Die ihm
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Johann von Schoreel.
Jn Schoreel, einem kleinen holländiſchen
Dorf, ohnweit Alkmaar, trat dieſer ſeltne,
von der Natur durch ihre edelſte Gaben ausge-
zeichnete Geiſt, am erſten Auguſt des Jahrs 1495
in das irdiſche Leben. Nahe Verwandte nahmen ſich
mit wahrhaft väterlicher Sorgfalt des verwaisten
Knaben an, der in frühſter Jugend beide Eltern
verlor, und nun fromm und einfach unter Jener
treuen Pflege heran wuchs. Sobald er das dazu
gehörige Alter erreicht hatte, wurde er nach Alk-
maar auf die Schule gebracht, wo er ſich durch
ſittliches Betragen und ſchnelles Fortſchreiten in
Allem was ihm gelehrt ward, beſonders in der latei-
niſchen Sprache, vor ſeinen Mitſchülern auszeichnete.
Was er auch unternahm, begünſtigte ein ſeltnes
Gelingen; ſeine natürlichen Fähigkeiten, ſein großes
Faſſungsvermögen, machten ihm auch das Schwerſte
leicht, doch ſein angeborner Beruf zur bildenden
Kunſt trat vor Allem auffallend vor und äußerte
ſich ſogar in ſeinen kindiſchen Spielen. Die ihm
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/49>, abgerufen am 16.02.2025.
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