Täuschung. Das ganze Gewand war Papier, über und über mit Blumen und Ranken, dem wirklichen Stoffe so ähnlich, übermalt, daß wirklich nur das Gefühl den unglaublichen Jrrthum entdecken konnte.
Die Majestät lachte daß ihr die Augen über- gingen, als sie die Geschichte des wundersamen Rockes jetzt vernahm, die ganze Tischgesellschaft lachte mit, und so lange der Kaiser regierte hatte er keine so fröhliche Tafel gehalten. Um viel hun- dert Ellen des herrlichsten Damasts hätte der Marquis diesen Schwank seines Hofmalers nicht missen mögen, und dieser gewagte Streich befestigte ihn gar sehr in der Huld seines Herrn, der, minder geschickt ausgeführt, ihn wahrscheinlich völlig ge- stürzt hätte.
Doch Mabuse wußte auch auf edlere Weise sein großes Talent im Hause seines Beschützers geltend zu machen. Er malte dessen Gemahlin nebst ihrem Sohn, als Madonna mit dem Kinde, und wandte so viel Fleiß auf die Ausführung dieses köstlichen Bildes, daß sogar seine übrigen Gemälde, so treff-
II. Bd. 3
Täuſchung. Das ganze Gewand war Papier, über und über mit Blumen und Ranken, dem wirklichen Stoffe ſo ähnlich, übermalt, daß wirklich nur das Gefühl den unglaublichen Jrrthum entdecken konnte.
Die Majeſtät lachte daß ihr die Augen über- gingen, als ſie die Geſchichte des wunderſamen Rockes jetzt vernahm, die ganze Tiſchgeſellſchaft lachte mit, und ſo lange der Kaiſer regierte hatte er keine ſo fröhliche Tafel gehalten. Um viel hun- dert Ellen des herrlichſten Damaſts hätte der Marquis dieſen Schwank ſeines Hofmalers nicht miſſen mögen, und dieſer gewagte Streich befeſtigte ihn gar ſehr in der Huld ſeines Herrn, der, minder geſchickt ausgeführt, ihn wahrſcheinlich völlig ge- ſtürzt hätte.
Doch Mabuſe wußte auch auf edlere Weiſe ſein großes Talent im Hauſe ſeines Beſchützers geltend zu machen. Er malte deſſen Gemahlin nebſt ihrem Sohn, als Madonna mit dem Kinde, und wandte ſo viel Fleiß auf die Ausführung dieſes köſtlichen Bildes, daß ſogar ſeine übrigen Gemälde, ſo treff-
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Täuſchung. Das ganze Gewand war Papier, über
und über mit Blumen und Ranken, dem wirklichen
Stoffe ſo ähnlich, übermalt, daß wirklich nur
das Gefühl den unglaublichen Jrrthum entdecken
konnte.
Die Majeſtät lachte daß ihr die Augen über-
gingen, als ſie die Geſchichte des wunderſamen
Rockes jetzt vernahm, die ganze Tiſchgeſellſchaft
lachte mit, und ſo lange der Kaiſer regierte hatte
er keine ſo fröhliche Tafel gehalten. Um viel hun-
dert Ellen des herrlichſten Damaſts hätte der
Marquis dieſen Schwank ſeines Hofmalers nicht
miſſen mögen, und dieſer gewagte Streich befeſtigte
ihn gar ſehr in der Huld ſeines Herrn, der, minder
geſchickt ausgeführt, ihn wahrſcheinlich völlig ge-
ſtürzt hätte.
Doch Mabuſe wußte auch auf edlere Weiſe ſein
großes Talent im Hauſe ſeines Beſchützers geltend
zu machen. Er malte deſſen Gemahlin nebſt ihrem
Sohn, als Madonna mit dem Kinde, und wandte
ſo viel Fleiß auf die Ausführung dieſes köſtlichen
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/43>, abgerufen am 29.07.2024.
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