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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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Zu Middelburg erfreute sich Lukas von Leyden
besonders an den Gemälden des damals dort woh-
nenden Johann von Mebuse; auch der Meister
selbst, und sein muntres lustiges Wesen zogen ihn
an. Er unterließ nicht in dieser Stadt sein gewohn-
tes Maler-Banket zu geben, wobei er sehr schön
und anständig gekleidet erschien, in einem gelblichen
Rock von feinem Seiden-Kammelot, der in der
Sonne wie Gold glänzte. Aber nun kam Mebuse
in einem Kleide von wirklichem goldnen Brokat;
diese übergroße Pracht erregte Meister Lukas etwas
überspannte Empfindlichkeit, dem es nun bedünken
wollte, als würde er wegen seiner einfacheren Tracht
von seinen übrigen Gasten weniger geachtet. Hier-
aus mochte wohl eine nicht ganz angenehme Span-
nung in der Gesellschaft entstanden seyn, denn
sonst wäre dieser an sich unbedeutende Umstand
schwerlich auf die Nachwelt gekommen.

So viel Vergnügen diese erste und einzige
Kunstreise dem Meister Lukas während ihrer Dauer
gemacht haben mochte, so gedachte er ihrer nach
seiner Heimkehr doch nur mit Reue und Schmerz.

Zu Middelburg erfreute ſich Lukas von Leyden
beſonders an den Gemälden des damals dort woh-
nenden Johann von Mebuſe; auch der Meiſter
ſelbſt, und ſein muntres luſtiges Weſen zogen ihn
an. Er unterließ nicht in dieſer Stadt ſein gewohn-
tes Maler-Banket zu geben, wobei er ſehr ſchön
und anſtändig gekleidet erſchien, in einem gelblichen
Rock von feinem Seiden-Kammelot, der in der
Sonne wie Gold glänzte. Aber nun kam Mebuſe
in einem Kleide von wirklichem goldnen Brokat;
dieſe übergroße Pracht erregte Meiſter Lukas etwas
überſpannte Empfindlichkeit, dem es nun bedünken
wollte, als würde er wegen ſeiner einfacheren Tracht
von ſeinen übrigen Gaſten weniger geachtet. Hier-
aus mochte wohl eine nicht ganz angenehme Span-
nung in der Geſellſchaft entſtanden ſeyn, denn
ſonſt wäre dieſer an ſich unbedeutende Umſtand
ſchwerlich auf die Nachwelt gekommen.

So viel Vergnügen dieſe erſte und einzige
Kunſtreiſe dem Meiſter Lukas während ihrer Dauer
gemacht haben mochte, ſo gedachte er ihrer nach
ſeiner Heimkehr doch nur mit Reue und Schmerz.

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[15/0025] Zu Middelburg erfreute ſich Lukas von Leyden beſonders an den Gemälden des damals dort woh- nenden Johann von Mebuſe; auch der Meiſter ſelbſt, und ſein muntres luſtiges Weſen zogen ihn an. Er unterließ nicht in dieſer Stadt ſein gewohn- tes Maler-Banket zu geben, wobei er ſehr ſchön und anſtändig gekleidet erſchien, in einem gelblichen Rock von feinem Seiden-Kammelot, der in der Sonne wie Gold glänzte. Aber nun kam Mebuſe in einem Kleide von wirklichem goldnen Brokat; dieſe übergroße Pracht erregte Meiſter Lukas etwas überſpannte Empfindlichkeit, dem es nun bedünken wollte, als würde er wegen ſeiner einfacheren Tracht von ſeinen übrigen Gaſten weniger geachtet. Hier- aus mochte wohl eine nicht ganz angenehme Span- nung in der Geſellſchaft entſtanden ſeyn, denn ſonſt wäre dieſer an ſich unbedeutende Umſtand ſchwerlich auf die Nachwelt gekommen. So viel Vergnügen dieſe erſte und einzige Kunſtreiſe dem Meiſter Lukas während ihrer Dauer gemacht haben mochte, ſo gedachte er ihrer nach ſeiner Heimkehr doch nur mit Reue und Schmerz.

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/25>, abgerufen am 21.11.2024.