Blatt, auf welchem ein Bauer sich von einem Quack- salber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau, von ihm unbemerkt, ihm die Tasche leert.
Sein von ihm selbst gezeichnetes Porträt zeigt ihn sehr jugendlich, ohne Bart, von etwas schwäch- lichem Ansehen, doch mit hellen klaren Künstler- augen. Er trägt ein mit Federn geschmücktes Barett auf dem Kopf, und einen Todtenschädel im Busen. Von Gestalt war Lukas von Leyden klein, zierlich und schmächtig. Er verheirathete sich sehr jung mit einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge- schlecht der von Boshuysen, wodurch er in große und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu- gleich aber auch zu seinem Leidwesen veranlaßt ward, mehr Zeit bei Gastmahlen und Festlichkeiten zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich- keiten, welche seine eigne Vermählung unter den Verwandten seiner Frau herbei führten, preßten ihm Klagen aus, so sehr hatte er sich gewöhnt, jede Stunde seiner Zeit einzig der Kunst zu weihen. Er achtete fast jede Minute für verloren, die er anders hinbringen mußte, und arbeitete stets mit einem
Blatt, auf welchem ein Bauer ſich von einem Quack- ſalber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau, von ihm unbemerkt, ihm die Taſche leert.
Sein von ihm ſelbſt gezeichnetes Porträt zeigt ihn ſehr jugendlich, ohne Bart, von etwas ſchwäch- lichem Anſehen, doch mit hellen klaren Künſtler- augen. Er trägt ein mit Federn geſchmücktes Barett auf dem Kopf, und einen Todtenſchädel im Buſen. Von Geſtalt war Lukas von Leyden klein, zierlich und ſchmächtig. Er verheirathete ſich ſehr jung mit einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge- ſchlecht der von Boshuyſen, wodurch er in große und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu- gleich aber auch zu ſeinem Leidweſen veranlaßt ward, mehr Zeit bei Gaſtmahlen und Feſtlichkeiten zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich- keiten, welche ſeine eigne Vermählung unter den Verwandten ſeiner Frau herbei führten, preßten ihm Klagen aus, ſo ſehr hatte er ſich gewöhnt, jede Stunde ſeiner Zeit einzig der Kunſt zu weihen. Er achtete faſt jede Minute für verloren, die er anders hinbringen mußte, und arbeitete ſtets mit einem
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Blatt, auf welchem ein Bauer ſich von einem Quack-
ſalber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau,
von ihm unbemerkt, ihm die Taſche leert.
Sein von ihm ſelbſt gezeichnetes Porträt zeigt
ihn ſehr jugendlich, ohne Bart, von etwas ſchwäch-
lichem Anſehen, doch mit hellen klaren Künſtler-
augen. Er trägt ein mit Federn geſchmücktes Barett
auf dem Kopf, und einen Todtenſchädel im Buſen.
Von Geſtalt war Lukas von Leyden klein, zierlich
und ſchmächtig. Er verheirathete ſich ſehr jung mit
einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge-
ſchlecht der von Boshuyſen, wodurch er in große
und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu-
gleich aber auch zu ſeinem Leidweſen veranlaßt
ward, mehr Zeit bei Gaſtmahlen und Feſtlichkeiten
zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich-
keiten, welche ſeine eigne Vermählung unter den
Verwandten ſeiner Frau herbei führten, preßten
ihm Klagen aus, ſo ſehr hatte er ſich gewöhnt, jede
Stunde ſeiner Zeit einzig der Kunſt zu weihen. Er
achtete faſt jede Minute für verloren, die er anders
hinbringen mußte, und arbeitete ſtets mit einem
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/19>, abgerufen am 29.07.2024.
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