Monats Mai, oder den ersten des Juni zu Leyden in das Leben trat.
Hugo Jakobs, sein Vater, war ein geachteter Maler, und Malergeräth das erste Spielwerk des Knaben. Lukas erster Blick fiel auf Paletten und Pinsel, auf Kreide, Reißfeder und Radirnadel. Mit schwacher kindischer Hand griff er nach diesen und führte sie, beinahe ehe er sie nur gehörig fest zu halten wußte. Der Vater hatte innige Freude an dem natürlichen Geschicke, welches der Knabe dabei zeigte, er half ihm und lehrte ihn, wirklich spielend, den Gebrauch aller dieser Werkzeuge; das Kind kannte bald keine andere Lust als an diesen Dingen, und die Lust stieg so wie es heran wuchs. Oft, wenn Lukas in spater Nacht noch zeichnete, schalt seine Mutter und nahm ihm das Licht weg, weil sie fürchtete, seine Gesundheit möchte unter der unablässigen Anstrengung leiden, aber er lies dennoch nicht ab. Er zeichnete nach der Natur Alles was ihm vorkam, Köpfe, Hände, Füße, Gebäude, Gegenden, vor Allem aber, und mit auffallender Vorliebe, Gewänder von verschiedenartigen Stoffen,
Monats Mai, oder den erſten des Juni zu Leyden in das Leben trat.
Hugo Jakobs, ſein Vater, war ein geachteter Maler, und Malergeräth das erſte Spielwerk des Knaben. Lukas erſter Blick fiel auf Paletten und Pinſel, auf Kreide, Reißfeder und Radirnadel. Mit ſchwacher kindiſcher Hand griff er nach dieſen und führte ſie, beinahe ehe er ſie nur gehörig feſt zu halten wußte. Der Vater hatte innige Freude an dem natürlichen Geſchicke, welches der Knabe dabei zeigte, er half ihm und lehrte ihn, wirklich ſpielend, den Gebrauch aller dieſer Werkzeuge; das Kind kannte bald keine andere Luſt als an dieſen Dingen, und die Luſt ſtieg ſo wie es heran wuchs. Oft, wenn Lukas in ſpater Nacht noch zeichnete, ſchalt ſeine Mutter und nahm ihm das Licht weg, weil ſie fürchtete, ſeine Geſundheit möchte unter der unabläſſigen Anſtrengung leiden, aber er lies dennoch nicht ab. Er zeichnete nach der Natur Alles was ihm vorkam, Köpfe, Hände, Füße, Gebäude, Gegenden, vor Allem aber, und mit auffallender Vorliebe, Gewänder von verſchiedenartigen Stoffen,
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Monats Mai, oder den erſten des Juni zu Leyden
in das Leben trat.
Hugo Jakobs, ſein Vater, war ein geachteter
Maler, und Malergeräth das erſte Spielwerk des
Knaben. Lukas erſter Blick fiel auf Paletten und
Pinſel, auf Kreide, Reißfeder und Radirnadel.
Mit ſchwacher kindiſcher Hand griff er nach dieſen
und führte ſie, beinahe ehe er ſie nur gehörig feſt
zu halten wußte. Der Vater hatte innige Freude
an dem natürlichen Geſchicke, welches der Knabe
dabei zeigte, er half ihm und lehrte ihn, wirklich
ſpielend, den Gebrauch aller dieſer Werkzeuge; das
Kind kannte bald keine andere Luſt als an dieſen
Dingen, und die Luſt ſtieg ſo wie es heran wuchs.
Oft, wenn Lukas in ſpater Nacht noch zeichnete,
ſchalt ſeine Mutter und nahm ihm das Licht weg,
weil ſie fürchtete, ſeine Geſundheit möchte unter
der unabläſſigen Anſtrengung leiden, aber er lies
dennoch nicht ab. Er zeichnete nach der Natur Alles
was ihm vorkam, Köpfe, Hände, Füße, Gebäude,
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/12>, abgerufen am 29.07.2024.
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