Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


Danzig gebracht habe, wo er es der damaligen
Marien-Kirche weihte. Letztere wird jetzt die
Pfarr-Kirche genannt und ist eines der imposan-
testen, größten Denkmäler früherer Baukunst, das
noch kein Mensch ohne Ehrfurcht und Bewunderung
erblickte. Die Sage vergaß ferner nie dabei zu
erwähnen, daß zwei Brüder Namens van Eyck,
welche man zugleich als die ersten Erfinder der Öl-
malerei bezeichnete, es gemalt hätten, und so lebte
dieser große Name fast an der äußersten nordischen
Gränze deutscher Sprache noch immer fort, selbst
unter dem Volk, und war auch mir bekannt und
befreundet von Jugend auf, während ihn die übrige
Welt, wenige Kunstverständige ausgenommen, bei-
nahe gänzlich vergaß.

Jn der Zeit, wo die katholische Kirche in
Danzig die herrschende war, schmückte dieses Bild
vielleicht einen kleinen Seitenaltar, doch gewiß nie
den sehr großen hohen Hauptaltar der von ihren
Erbauern der heiligen Jungfrau geweihten Kirche,
weil sich der Gegenstand desselben, das jüngste
Gericht, nicht hiezu eignet. Denn man wählte

6


Danzig gebracht habe, wo er es der damaligen
Marien-Kirche weihte. Letztere wird jetzt die
Pfarr-Kirche genannt und iſt eines der impoſan-
teſten, größten Denkmäler früherer Baukunſt, das
noch kein Menſch ohne Ehrfurcht und Bewunderung
erblickte. Die Sage vergaß ferner nie dabei zu
erwähnen, daß zwei Brüder Namens van Eyck,
welche man zugleich als die erſten Erfinder der Öl-
malerei bezeichnete, es gemalt hätten, und ſo lebte
dieſer große Name faſt an der äußerſten nordiſchen
Gränze deutſcher Sprache noch immer fort, ſelbſt
unter dem Volk, und war auch mir bekannt und
befreundet von Jugend auf, während ihn die übrige
Welt, wenige Kunſtverſtändige ausgenommen, bei-
nahe gänzlich vergaß.

Jn der Zeit, wo die katholiſche Kirche in
Danzig die herrſchende war, ſchmückte dieſes Bild
vielleicht einen kleinen Seitenaltar, doch gewiß nie
den ſehr großen hohen Hauptaltar der von ihren
Erbauern der heiligen Jungfrau geweihten Kirche,
weil ſich der Gegenſtand deſſelben, das jüngſte
Gericht, nicht hiezu eignet. Denn man wählte

6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="81"/><lb/>
Danzig gebracht habe, wo er es der damaligen<lb/>
Marien-Kirche weihte. Letztere wird jetzt die<lb/>
Pfarr-Kirche genannt und i&#x017F;t eines der impo&#x017F;an-<lb/>
te&#x017F;ten, größten Denkmäler früherer Baukun&#x017F;t, das<lb/>
noch kein Men&#x017F;ch ohne Ehrfurcht und Bewunderung<lb/>
erblickte. Die Sage vergaß ferner nie dabei zu<lb/>
erwähnen, daß zwei Brüder Namens van Eyck,<lb/>
welche man zugleich als die er&#x017F;ten Erfinder der Öl-<lb/>
malerei bezeichnete, es gemalt hätten, und &#x017F;o lebte<lb/>
die&#x017F;er große Name fa&#x017F;t an der äußer&#x017F;ten nordi&#x017F;chen<lb/>
Gränze deut&#x017F;cher Sprache noch immer fort, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
unter dem Volk, und war auch mir bekannt und<lb/>
befreundet von Jugend auf, während ihn die übrige<lb/>
Welt, wenige Kun&#x017F;tver&#x017F;tändige ausgenommen, bei-<lb/>
nahe gänzlich vergaß.</p><lb/>
        <p>Jn der Zeit, wo die katholi&#x017F;che Kirche in<lb/>
Danzig die herr&#x017F;chende war, &#x017F;chmückte die&#x017F;es Bild<lb/>
vielleicht einen kleinen Seitenaltar, doch gewiß nie<lb/>
den &#x017F;ehr großen hohen Hauptaltar der von ihren<lb/>
Erbauern der heiligen Jungfrau geweihten Kirche,<lb/>
weil &#x017F;ich der Gegen&#x017F;tand de&#x017F;&#x017F;elben, das jüng&#x017F;te<lb/>
Gericht, nicht hiezu eignet. Denn man wählte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] Danzig gebracht habe, wo er es der damaligen Marien-Kirche weihte. Letztere wird jetzt die Pfarr-Kirche genannt und iſt eines der impoſan- teſten, größten Denkmäler früherer Baukunſt, das noch kein Menſch ohne Ehrfurcht und Bewunderung erblickte. Die Sage vergaß ferner nie dabei zu erwähnen, daß zwei Brüder Namens van Eyck, welche man zugleich als die erſten Erfinder der Öl- malerei bezeichnete, es gemalt hätten, und ſo lebte dieſer große Name faſt an der äußerſten nordiſchen Gränze deutſcher Sprache noch immer fort, ſelbſt unter dem Volk, und war auch mir bekannt und befreundet von Jugend auf, während ihn die übrige Welt, wenige Kunſtverſtändige ausgenommen, bei- nahe gänzlich vergaß. Jn der Zeit, wo die katholiſche Kirche in Danzig die herrſchende war, ſchmückte dieſes Bild vielleicht einen kleinen Seitenaltar, doch gewiß nie den ſehr großen hohen Hauptaltar der von ihren Erbauern der heiligen Jungfrau geweihten Kirche, weil ſich der Gegenſtand deſſelben, das jüngſte Gericht, nicht hiezu eignet. Denn man wählte 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/93
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/93>, abgerufen am 18.12.2024.