Hubert ward nach Karl von Manders Ver- sicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern seiner Schwester Margarethe begraben. Dieß läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von Brügge nach Gent gefolgt sey, vielleicht um sie bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach Kräften zu unterstützen, denn sie bedurften wohl bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimnisse ihrer Kunst einer treuen verschwiegnen Gehülfin. Margarethe starb bekanntlich vor Huberts Ableben, und was kann ungezwungner uns entgegen treten, was stimmt besser mit Johann van Eycks Geist und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden ihm durch Geist und Talent noch mehr als durch Bande des Bluts verwandten Geschwistern hier ein Gedächtniß stiften wollte auf dem unter ihren Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke, welches er nun allein vollenden mußte.
Nicht nur Himmel und Erde, Leben und Hoffen des Menschen, umfaßte dieses ungeheure Werk; unter der Haupttafel desselben, auf einer Art von Fuß oder Gestell worauf diese ruhte, war
Hubert ward nach Karl von Manders Ver- ſicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern ſeiner Schweſter Margarethe begraben. Dieß läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von Brügge nach Gent gefolgt ſey, vielleicht um ſie bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach Kräften zu unterſtützen, denn ſie bedurften wohl bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimniſſe ihrer Kunſt einer treuen verſchwiegnen Gehülfin. Margarethe ſtarb bekanntlich vor Huberts Ableben, und was kann ungezwungner uns entgegen treten, was ſtimmt beſſer mit Johann van Eycks Geiſt und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden ihm durch Geiſt und Talent noch mehr als durch Bande des Bluts verwandten Geſchwiſtern hier ein Gedächtniß ſtiften wollte auf dem unter ihren Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke, welches er nun allein vollenden mußte.
Nicht nur Himmel und Erde, Leben und Hoffen des Menſchen, umfaßte dieſes ungeheure Werk; unter der Haupttafel deſſelben, auf einer Art von Fuß oder Geſtell worauf dieſe ruhte, war
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0078"n="66"/><lb/><p>Hubert ward nach Karl von Manders Ver-<lb/>ſicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern<lb/>ſeiner Schweſter Margarethe begraben. Dieß<lb/>
läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von<lb/>
Brügge nach Gent gefolgt ſey, vielleicht um ſie<lb/>
bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach<lb/>
Kräften zu unterſtützen, denn ſie bedurften wohl<lb/>
bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimniſſe<lb/>
ihrer Kunſt einer treuen verſchwiegnen Gehülfin.<lb/>
Margarethe ſtarb bekanntlich vor Huberts Ableben,<lb/>
und was kann ungezwungner uns entgegen treten,<lb/>
was ſtimmt beſſer mit Johann van Eycks Geiſt<lb/>
und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden<lb/>
ihm durch Geiſt und Talent noch mehr als durch<lb/>
Bande des Bluts verwandten Geſchwiſtern hier ein<lb/>
Gedächtniß ſtiften wollte auf dem unter ihren<lb/>
Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke,<lb/>
welches er nun allein vollenden mußte.</p><lb/><p>Nicht nur Himmel und Erde, Leben und<lb/>
Hoffen des Menſchen, umfaßte dieſes ungeheure<lb/>
Werk; unter der Haupttafel deſſelben, auf einer<lb/>
Art von Fuß oder Geſtell worauf dieſe ruhte, war<lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0078]
Hubert ward nach Karl von Manders Ver-
ſicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern
ſeiner Schweſter Margarethe begraben. Dieß
läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von
Brügge nach Gent gefolgt ſey, vielleicht um ſie
bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach
Kräften zu unterſtützen, denn ſie bedurften wohl
bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimniſſe
ihrer Kunſt einer treuen verſchwiegnen Gehülfin.
Margarethe ſtarb bekanntlich vor Huberts Ableben,
und was kann ungezwungner uns entgegen treten,
was ſtimmt beſſer mit Johann van Eycks Geiſt
und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden
ihm durch Geiſt und Talent noch mehr als durch
Bande des Bluts verwandten Geſchwiſtern hier ein
Gedächtniß ſtiften wollte auf dem unter ihren
Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke,
welches er nun allein vollenden mußte.
Nicht nur Himmel und Erde, Leben und
Hoffen des Menſchen, umfaßte dieſes ungeheure
Werk; unter der Haupttafel deſſelben, auf einer
Art von Fuß oder Geſtell worauf dieſe ruhte, war
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/78>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.