wie herausgetreten aus den Rahmen frei und lebendig im Zimmer; so täuschend ist die Wahrheit dieses wunderbaren, bis zu jeder einzelnen Haar- locke ausgeführten Gemäldes.
"Justi Judicis" ist die Unterschrift der dritten Tafel. Jn einem reichen blühenden Thal, zwischen hohen Bergen, deren Gipfel Thürme und feste Schlösser krönen, ziehen mehrere Ritter zur An- betung des Lammes hin. Jm Vorgrunde reitet der Stifter des Gemäldes, Philipp der Gütige, neben ihm Johann und Hubert van Eyck. Diese Abbildung bestätigt vollkommen den großen Unter- schied des Alters der Brüder; Hubert, fast schon ein Greis, reitet auf einem stolzen prächtig ge- schmückten Schimmel, auch er selbst ist stattlich ge- kleidet und trägt eine vorn aufgeschlagne und mit Pelzwerk verbrämte Mütze von seltsamer Form auf dem Haupt; Johann trägt über einem schwarzen Talar ein rothes Paternoster, mit einer daran hän- genden goldnen Medaille, und eine Turbanartige Kopfbedeckung an der hinten ein Zipfel herabhängt; er scheint fünf und dreißig bis acht und dreißig Jahre
wie herausgetreten aus den Rahmen frei und lebendig im Zimmer; ſo täuſchend iſt die Wahrheit dieſes wunderbaren, bis zu jeder einzelnen Haar- locke ausgeführten Gemäldes.
„Justi Judicis“ iſt die Unterſchrift der dritten Tafel. Jn einem reichen blühenden Thal, zwiſchen hohen Bergen, deren Gipfel Thürme und feſte Schlöſſer krönen, ziehen mehrere Ritter zur An- betung des Lammes hin. Jm Vorgrunde reitet der Stifter des Gemäldes, Philipp der Gütige, neben ihm Johann und Hubert van Eyck. Dieſe Abbildung beſtätigt vollkommen den großen Unter- ſchied des Alters der Brüder; Hubert, faſt ſchon ein Greis, reitet auf einem ſtolzen prächtig ge- ſchmückten Schimmel, auch er ſelbſt iſt ſtattlich ge- kleidet und trägt eine vorn aufgeſchlagne und mit Pelzwerk verbrämte Mütze von ſeltſamer Form auf dem Haupt; Johann trägt über einem ſchwarzen Talar ein rothes Paternoſter, mit einer daran hän- genden goldnen Medaille, und eine Turbanartige Kopfbedeckung an der hinten ein Zipfel herabhängt; er ſcheint fünf und dreißig bis acht und dreißig Jahre
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wie herausgetreten aus den Rahmen frei und
lebendig im Zimmer; ſo täuſchend iſt die Wahrheit
dieſes wunderbaren, bis zu jeder einzelnen Haar-
locke ausgeführten Gemäldes.
„Justi Judicis“ iſt die Unterſchrift der dritten
Tafel. Jn einem reichen blühenden Thal, zwiſchen
hohen Bergen, deren Gipfel Thürme und feſte
Schlöſſer krönen, ziehen mehrere Ritter zur An-
betung des Lammes hin. Jm Vorgrunde reitet der
Stifter des Gemäldes, Philipp der Gütige, neben
ihm Johann und Hubert van Eyck. Dieſe
Abbildung beſtätigt vollkommen den großen Unter-
ſchied des Alters der Brüder; Hubert, faſt ſchon
ein Greis, reitet auf einem ſtolzen prächtig ge-
ſchmückten Schimmel, auch er ſelbſt iſt ſtattlich ge-
kleidet und trägt eine vorn aufgeſchlagne und mit
Pelzwerk verbrämte Mütze von ſeltſamer Form auf
dem Haupt; Johann trägt über einem ſchwarzen
Talar ein rothes Paternoſter, mit einer daran hän-
genden goldnen Medaille, und eine Turbanartige
Kopfbedeckung an der hinten ein Zipfel herabhängt;
er ſcheint fünf und dreißig bis acht und dreißig Jahre
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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