ihre Strahlen diesesmal zu heiß, vielleicht auch waren die Breter, aus denen die Tafel bestand, nicht sorgsam genug zusammengefügt; sie zersprang, und das köstliche Gemälde lag, zu Trümmern ver- nichtet, umher.
Unmuthig konnte Johann van Eyck über diesen Unfall wohl werden, doch nicht muthlos. So wie er das Unzuverlässige und Unzulängliche seiner Er- findung eingesehen hatte, setzte er diese bei Seite, und untersuchte von neuem Farben, ölige und geistige Flüssigkeiten; er fand, daß Nußöl und Leinöl am schnellsten trocknen, er siedete diese, ver- setzte sie mit andern Jngredienzen, und hatte endlich die Freude einen vollkommen genügenden Firniß zu besitzen, der im Schatten trocknete, ohne Zu- thun der Sonnenhitze.
Der Firniß war nun erfunden, doch jezt be- schäftigte ihn die Bereitung der Farben. Nach vielen Versuchen kam er darauf, sie, statt mit Leimwasser oder Eiweiß, mit Ölen zu bereiten, und sah mit unaussprechlicher Freude in Erfüllung gehen, was Jahre lang seinem ahnungsvollen Geiste
ihre Strahlen dieſesmal zu heiß, vielleicht auch waren die Breter, aus denen die Tafel beſtand, nicht ſorgſam genug zuſammengefügt; ſie zerſprang, und das köſtliche Gemälde lag, zu Trümmern ver- nichtet, umher.
Unmuthig konnte Johann van Eyck über dieſen Unfall wohl werden, doch nicht muthlos. So wie er das Unzuverläſſige und Unzulängliche ſeiner Er- findung eingeſehen hatte, ſetzte er dieſe bei Seite, und unterſuchte von neuem Farben, ölige und geiſtige Flüſſigkeiten; er fand, daß Nußöl und Leinöl am ſchnellſten trocknen, er ſiedete dieſe, ver- ſetzte ſie mit andern Jngredienzen, und hatte endlich die Freude einen vollkommen genügenden Firniß zu beſitzen, der im Schatten trocknete, ohne Zu- thun der Sonnenhitze.
Der Firniß war nun erfunden, doch jezt be- ſchäftigte ihn die Bereitung der Farben. Nach vielen Verſuchen kam er darauf, ſie, ſtatt mit Leimwaſſer oder Eiweiß, mit Ölen zu bereiten, und ſah mit unausſprechlicher Freude in Erfüllung gehen, was Jahre lang ſeinem ahnungsvollen Geiſte
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ihre Strahlen dieſesmal zu heiß, vielleicht auch
waren die Breter, aus denen die Tafel beſtand,
nicht ſorgſam genug zuſammengefügt; ſie zerſprang,
und das köſtliche Gemälde lag, zu Trümmern ver-
nichtet, umher.
Unmuthig konnte Johann van Eyck über dieſen
Unfall wohl werden, doch nicht muthlos. So wie
er das Unzuverläſſige und Unzulängliche ſeiner Er-
findung eingeſehen hatte, ſetzte er dieſe bei Seite,
und unterſuchte von neuem Farben, ölige und
geiſtige Flüſſigkeiten; er fand, daß Nußöl und
Leinöl am ſchnellſten trocknen, er ſiedete dieſe, ver-
ſetzte ſie mit andern Jngredienzen, und hatte endlich
die Freude einen vollkommen genügenden Firniß
zu beſitzen, der im Schatten trocknete, ohne Zu-
thun der Sonnenhitze.
Der Firniß war nun erfunden, doch jezt be-
ſchäftigte ihn die Bereitung der Farben. Nach
vielen Verſuchen kam er darauf, ſie, ſtatt mit
Leimwaſſer oder Eiweiß, mit Ölen zu bereiten,
und ſah mit unausſprechlicher Freude in Erfüllung
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/58>, abgerufen am 24.11.2024.
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