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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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edel und schön zu nennen in Form und Ausdruck.
Das Studium nach einem Modell war zu seiner
Zeit noch nicht Gebrauch, eben so wenig mag es
damals einem Künstler eingefallen seyn für seine
Kunst Anatomie zu studiren; diese Wissenschaft war
ohnehin noch in der Kindheit. Johannes konnte
daher nur nachbilden was er sah, was ihn umgab:
schwer und dicht bekleidete Gestalten. Dennoch
herrschen bei ihm Ebenmaß und Anmuth, nirgend
treten in seinen Figuren Zwang, unmögliche Stel-
lungen, oder unnatürliche Verrenkungen hervor;
nur Hände und Füße erscheinen zuweilen etwas
mager, wenn gleich nie so sehr um störend zu
werden. Die Farben-Pracht seiner Gemälde läßt
nicht mit Worten sich beschreiben, gegen sie erbleicht
Paul Veronese und aller Glanz der venezianischen
Schule, ja die Wirklichkeit selbst. Er malte mit
möglichster Vermeidung aller Erdfarben, größten-
theils nur mit Lack oder durchsichtigen Saftfarben,
auf einem sehr feinen, wahrscheinlich abgeschliffnen,
ganz weißen kreideartigen Grunde. Dieser schim-
mert durch die unkörperlichen Farben durch, und


edel und ſchön zu nennen in Form und Ausdruck.
Das Studium nach einem Modell war zu ſeiner
Zeit noch nicht Gebrauch, eben ſo wenig mag es
damals einem Künſtler eingefallen ſeyn für ſeine
Kunſt Anatomie zu ſtudiren; dieſe Wiſſenſchaft war
ohnehin noch in der Kindheit. Johannes konnte
daher nur nachbilden was er ſah, was ihn umgab:
ſchwer und dicht bekleidete Geſtalten. Dennoch
herrſchen bei ihm Ebenmaß und Anmuth, nirgend
treten in ſeinen Figuren Zwang, unmögliche Stel-
lungen, oder unnatürliche Verrenkungen hervor;
nur Hände und Füße erſcheinen zuweilen etwas
mager, wenn gleich nie ſo ſehr um ſtörend zu
werden. Die Farben-Pracht ſeiner Gemälde läßt
nicht mit Worten ſich beſchreiben, gegen ſie erbleicht
Paul Veroneſe und aller Glanz der venezianiſchen
Schule, ja die Wirklichkeit ſelbſt. Er malte mit
möglichſter Vermeidung aller Erdfarben, größten-
theils nur mit Lack oder durchſichtigen Saftfarben,
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ganz weißen kreideartigen Grunde. Dieſer ſchim-
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[30/0042] edel und ſchön zu nennen in Form und Ausdruck. Das Studium nach einem Modell war zu ſeiner Zeit noch nicht Gebrauch, eben ſo wenig mag es damals einem Künſtler eingefallen ſeyn für ſeine Kunſt Anatomie zu ſtudiren; dieſe Wiſſenſchaft war ohnehin noch in der Kindheit. Johannes konnte daher nur nachbilden was er ſah, was ihn umgab: ſchwer und dicht bekleidete Geſtalten. Dennoch herrſchen bei ihm Ebenmaß und Anmuth, nirgend treten in ſeinen Figuren Zwang, unmögliche Stel- lungen, oder unnatürliche Verrenkungen hervor; nur Hände und Füße erſcheinen zuweilen etwas mager, wenn gleich nie ſo ſehr um ſtörend zu werden. Die Farben-Pracht ſeiner Gemälde läßt nicht mit Worten ſich beſchreiben, gegen ſie erbleicht Paul Veroneſe und aller Glanz der venezianiſchen Schule, ja die Wirklichkeit ſelbſt. Er malte mit möglichſter Vermeidung aller Erdfarben, größten- theils nur mit Lack oder durchſichtigen Saftfarben, auf einem ſehr feinen, wahrſcheinlich abgeſchliffnen, ganz weißen kreideartigen Grunde. Dieſer ſchim- mert durch die unkörperlichen Farben durch, und

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/42>, abgerufen am 21.11.2024.