und bei manchem seiner Werke spüren wir recht schmerzlich die beengende Lebensluft, in welcher dieser, von der Natur so hochbegabte Meister unter dem Keifen seines bößartigen Weibes wie zur Frohne arbeiten mußte; er, der sich in andern Ver- hältnissen frei, edel und leicht im Gebiete der Kunst gewiß noch weit höheren Flugs erhoben hätte.
Höchst bewundernswerth ist indessen die Festig- keit, mit der Albrecht Dürer in Zeichnung und An- ordnung seiner Gestalten an der Natur hielt. Sind diese gleich nicht immer edel und schön zu nennen, so sind sie dennoch stets von unübertrefflicher Wahr- heit. Dieses ist um so höher zu achten, da seine Zeit, obschon noch immer überreich an trefflichen Meistern, dennoch schon begann, sich jener Manier zuzuwenden, welche den Schein der Dinge statt des Wesens ergreift, durch blendende Licht-Reflexe, durch tiefe Schlagschatten, wo die Natur keine kennt, und durch tausend ähnliche Künsteleien, das Auge zu fesseln, und ihre innere Armseligkeit zu verbergen sucht. Sehr bald nach ihm führte diese
und bei manchem ſeiner Werke ſpüren wir recht ſchmerzlich die beengende Lebensluft, in welcher dieſer, von der Natur ſo hochbegabte Meiſter unter dem Keifen ſeines bößartigen Weibes wie zur Frohne arbeiten mußte; er, der ſich in andern Ver- hältniſſen frei, edel und leicht im Gebiete der Kunſt gewiß noch weit höheren Flugs erhoben hätte.
Höchſt bewundernswerth iſt indeſſen die Feſtig- keit, mit der Albrecht Dürer in Zeichnung und An- ordnung ſeiner Geſtalten an der Natur hielt. Sind dieſe gleich nicht immer edel und ſchön zu nennen, ſo ſind ſie dennoch ſtets von unübertrefflicher Wahr- heit. Dieſes iſt um ſo höher zu achten, da ſeine Zeit, obſchon noch immer überreich an trefflichen Meiſtern, dennoch ſchon begann, ſich jener Manier zuzuwenden, welche den Schein der Dinge ſtatt des Weſens ergreift, durch blendende Licht-Reflexe, durch tiefe Schlagſchatten, wo die Natur keine kennt, und durch tauſend ähnliche Künſteleien, das Auge zu feſſeln, und ihre innere Armſeligkeit zu verbergen ſucht. Sehr bald nach ihm führte dieſe
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und bei manchem ſeiner Werke ſpüren wir recht
ſchmerzlich die beengende Lebensluft, in welcher
dieſer, von der Natur ſo hochbegabte Meiſter
unter dem Keifen ſeines bößartigen Weibes wie zur
Frohne arbeiten mußte; er, der ſich in andern Ver-
hältniſſen frei, edel und leicht im Gebiete der
Kunſt gewiß noch weit höheren Flugs erhoben
hätte.
Höchſt bewundernswerth iſt indeſſen die Feſtig-
keit, mit der Albrecht Dürer in Zeichnung und An-
ordnung ſeiner Geſtalten an der Natur hielt. Sind
dieſe gleich nicht immer edel und ſchön zu nennen,
ſo ſind ſie dennoch ſtets von unübertrefflicher Wahr-
heit. Dieſes iſt um ſo höher zu achten, da ſeine
Zeit, obſchon noch immer überreich an trefflichen
Meiſtern, dennoch ſchon begann, ſich jener Manier
zuzuwenden, welche den Schein der Dinge ſtatt des
Weſens ergreift, durch blendende Licht-Reflexe,
durch tiefe Schlagſchatten, wo die Natur keine
kennt, und durch tauſend ähnliche Künſteleien, das
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verbergen ſucht. Sehr bald nach ihm führte dieſe
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/279>, abgerufen am 22.11.2024.
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