Figuren gezierten Bechern und anderem köstlichen Silbergeräthe der Vorzeit in Kunstkabinetten bewun- dern. Er hatte, zur großen Freude seines Vaters, und zur Bewunderung aller Verwandten und Be- kannten, schon die sieben Fälle des Leidens Christi in getriebner Silberarbeit sehr schön und künstlich ausgeführt, so daß es dem Vater allerdings leid seyn mußte, den hoffnungsvollen Sohn von der so wohl betretnen Bahn abgehen zu sehen, und gewiß gehörte sehr dringendes Bitten seines Lieblings dazu, um seine Einstimmung zu diesem bedenklichen Schritt zu erhalten. Doch ergab er sich endlich, und trat mit seinem alten Freunde, dem berühmten Meister Martin Schön zu Kolmar, dem er am liebsten seinen Sohn anvertrauen mochte, deshalb in schriftliche Unterhandlungen; doch dieser starb vor Vollendung derselben, und so entschloß der alte Dürer sich, seinen Albrecht dem damals berühmtesten Maler in Nürnberg, Michael Wolgemut, zu übergeben, wahrscheinlich um so lieber, da er ihn auf diese Weise unter seinen Augen behielt.
Auf der Wanderschaft, die Albrecht Dürer
Figuren gezierten Bechern und anderem köſtlichen Silbergeräthe der Vorzeit in Kunſtkabinetten bewun- dern. Er hatte, zur großen Freude ſeines Vaters, und zur Bewunderung aller Verwandten und Be- kannten, ſchon die ſieben Fälle des Leidens Chriſti in getriebner Silberarbeit ſehr ſchön und künſtlich ausgeführt, ſo daß es dem Vater allerdings leid ſeyn mußte, den hoffnungsvollen Sohn von der ſo wohl betretnen Bahn abgehen zu ſehen, und gewiß gehörte ſehr dringendes Bitten ſeines Lieblings dazu, um ſeine Einſtimmung zu dieſem bedenklichen Schritt zu erhalten. Doch ergab er ſich endlich, und trat mit ſeinem alten Freunde, dem berühmten Meiſter Martin Schön zu Kolmar, dem er am liebſten ſeinen Sohn anvertrauen mochte, deshalb in ſchriftliche Unterhandlungen; doch dieſer ſtarb vor Vollendung derſelben, und ſo entſchloß der alte Dürer ſich, ſeinen Albrecht dem damals berühmteſten Maler in Nürnberg, Michael Wolgemut, zu übergeben, wahrſcheinlich um ſo lieber, da er ihn auf dieſe Weiſe unter ſeinen Augen behielt.
Auf der Wanderſchaft, die Albrecht Dürer
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Figuren gezierten Bechern und anderem köſtlichen
Silbergeräthe der Vorzeit in Kunſtkabinetten bewun-
dern. Er hatte, zur großen Freude ſeines Vaters,
und zur Bewunderung aller Verwandten und Be-
kannten, ſchon die ſieben Fälle des Leidens Chriſti
in getriebner Silberarbeit ſehr ſchön und künſtlich
ausgeführt, ſo daß es dem Vater allerdings leid
ſeyn mußte, den hoffnungsvollen Sohn von der
ſo wohl betretnen Bahn abgehen zu ſehen, und gewiß
gehörte ſehr dringendes Bitten ſeines Lieblings dazu,
um ſeine Einſtimmung zu dieſem bedenklichen Schritt
zu erhalten. Doch ergab er ſich endlich, und trat
mit ſeinem alten Freunde, dem berühmten Meiſter
Martin Schön zu Kolmar, dem er am liebſten ſeinen
Sohn anvertrauen mochte, deshalb in ſchriftliche
Unterhandlungen; doch dieſer ſtarb vor Vollendung
derſelben, und ſo entſchloß der alte Dürer ſich,
ſeinen Albrecht dem damals berühmteſten Maler in
Nürnberg, Michael Wolgemut, zu übergeben,
wahrſcheinlich um ſo lieber, da er ihn auf dieſe
Weiſe unter ſeinen Augen behielt.
Auf der Wanderſchaft, die Albrecht Dürer
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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