Jüngling wenig zusagen; das mühevolle Leben, die gewaltige körperliche Anstrengung, zu welcher kind- liche Liebe ihn trieb, griffen ihn heftig an, seine Kräfte erlagen und er fiel in eine tödtliche Krank- heit. Lange lag er schwer und gefährlich krank in der ärmlichen Hütte seiner trostlosen Mutter, die nun, da sie ihrer einzigen Stütze beraubt war, nicht mehr wußte, wie sie für sich und ihren Sohn nur das Noth- dürftigste herbeischaffen sollte, so daß Beide Mangel und Noth litten. Jugend und eine unverdorbne Natur halfen ihm zwar endlich die Todesgefahr überwinden, doch mußte er noch Mondenlang das Bette hüten, und der Anblick seiner darbenden Mutter, das Gefühl ihr noch lange nicht helfen zu können, quälten ihn unablässig, mehr als Krankheit oder Schmerz, und brachten ihn fast zur Verzweif- lung. Freunde, Verwandte, Bekannte, die seinem Schmerzenslager mitleidig nahten, bat er unab- lässig, ihm einen Erwerbsquell anzuweisen, den er in seiner gegenwärtigen Lage zur Erleichterung häuslicher Noth ergreifen könne, doch niemand wußte Rath.
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Jüngling wenig zuſagen; das mühevolle Leben, die gewaltige körperliche Anſtrengung, zu welcher kind- liche Liebe ihn trieb, griffen ihn heftig an, ſeine Kräfte erlagen und er fiel in eine tödtliche Krank- heit. Lange lag er ſchwer und gefährlich krank in der ärmlichen Hütte ſeiner troſtloſen Mutter, die nun, da ſie ihrer einzigen Stütze beraubt war, nicht mehr wußte, wie ſie für ſich und ihren Sohn nur das Noth- dürftigſte herbeiſchaffen ſollte, ſo daß Beide Mangel und Noth litten. Jugend und eine unverdorbne Natur halfen ihm zwar endlich die Todesgefahr überwinden, doch mußte er noch Mondenlang das Bette hüten, und der Anblick ſeiner darbenden Mutter, das Gefühl ihr noch lange nicht helfen zu können, quälten ihn unabläſſig, mehr als Krankheit oder Schmerz, und brachten ihn faſt zur Verzweif- lung. Freunde, Verwandte, Bekannte, die ſeinem Schmerzenslager mitleidig nahten, bat er unab- läſſig, ihm einen Erwerbsquell anzuweiſen, den er in ſeiner gegenwärtigen Lage zur Erleichterung häuslicher Noth ergreifen könne, doch niemand wußte Rath.
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Jüngling wenig zuſagen; das mühevolle Leben, die
gewaltige körperliche Anſtrengung, zu welcher kind-
liche Liebe ihn trieb, griffen ihn heftig an, ſeine
Kräfte erlagen und er fiel in eine tödtliche Krank-
heit. Lange lag er ſchwer und gefährlich krank in der
ärmlichen Hütte ſeiner troſtloſen Mutter, die nun,
da ſie ihrer einzigen Stütze beraubt war, nicht mehr
wußte, wie ſie für ſich und ihren Sohn nur das Noth-
dürftigſte herbeiſchaffen ſollte, ſo daß Beide Mangel
und Noth litten. Jugend und eine unverdorbne
Natur halfen ihm zwar endlich die Todesgefahr
überwinden, doch mußte er noch Mondenlang das
Bette hüten, und der Anblick ſeiner darbenden
Mutter, das Gefühl ihr noch lange nicht helfen zu
können, quälten ihn unabläſſig, mehr als Krankheit
oder Schmerz, und brachten ihn faſt zur Verzweif-
lung. Freunde, Verwandte, Bekannte, die ſeinem
Schmerzenslager mitleidig nahten, bat er unab-
läſſig, ihm einen Erwerbsquell anzuweiſen, den
er in ſeiner gegenwärtigen Lage zur Erleichterung
häuslicher Noth ergreifen könne, doch niemand wußte
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/207>, abgerufen am 26.11.2024.
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