Kein freundlicher Stern leuchtete der Geburt und der Kindheit des armen Quyntin; Dunkelheit und Armuth empfingen ihn, als er um das Jahr 1450 zu Antwerpen ins Leben trat. Sein Vater, ein armer Handwerker, starb, da Quyntin als un- mündiges Kind diesen Verlust noch nicht zu empfinden vermochte, und seine Mutter erzog ihn unter Kummer, Mangel und Sorgen, bis er kräftig genug schien, um bei einem Handwerker die Lehrjahre antreten zu können. Sie brachte ihn in dieser Absicht zu einem Schmied, wahrscheinlich weil auch sein Vater dieses Gewerbe betrieben hatte; dort wuchs er vollends heran, bei schwerer Arbeit und grober Kost, theilte, sobald er es vermochte, den sauer erworbnen kärglichen Lohn mit seiner Mutter, die mit ihm Haus hielt, und die er herzlich liebte und ehrte, und führte so ein dunkles, kümmerliches Leben, bis in sein zwanzigstes Jahr.
Die schwere Arbeit am Ambos mochte dem von der Natur einer höhern Bestimmung geweihten
Quyntin Meßis.
Kein freundlicher Stern leuchtete der Geburt und der Kindheit des armen Quyntin; Dunkelheit und Armuth empfingen ihn, als er um das Jahr 1450 zu Antwerpen ins Leben trat. Sein Vater, ein armer Handwerker, ſtarb, da Quyntin als un- mündiges Kind dieſen Verluſt noch nicht zu empfinden vermochte, und ſeine Mutter erzog ihn unter Kummer, Mangel und Sorgen, bis er kräftig genug ſchien, um bei einem Handwerker die Lehrjahre antreten zu können. Sie brachte ihn in dieſer Abſicht zu einem Schmied, wahrſcheinlich weil auch ſein Vater dieſes Gewerbe betrieben hatte; dort wuchs er vollends heran, bei ſchwerer Arbeit und grober Koſt, theilte, ſobald er es vermochte, den ſauer erworbnen kärglichen Lohn mit ſeiner Mutter, die mit ihm Haus hielt, und die er herzlich liebte und ehrte, und führte ſo ein dunkles, kümmerliches Leben, bis in ſein zwanzigſtes Jahr.
Die ſchwere Arbeit am Ambos mochte dem von der Natur einer höhern Beſtimmung geweihten
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Quyntin Meßis.
Kein freundlicher Stern leuchtete der Geburt
und der Kindheit des armen Quyntin; Dunkelheit
und Armuth empfingen ihn, als er um das Jahr
1450 zu Antwerpen ins Leben trat. Sein Vater,
ein armer Handwerker, ſtarb, da Quyntin als un-
mündiges Kind dieſen Verluſt noch nicht zu empfinden
vermochte, und ſeine Mutter erzog ihn unter
Kummer, Mangel und Sorgen, bis er kräftig genug
ſchien, um bei einem Handwerker die Lehrjahre
antreten zu können. Sie brachte ihn in dieſer Abſicht
zu einem Schmied, wahrſcheinlich weil auch ſein
Vater dieſes Gewerbe betrieben hatte; dort wuchs
er vollends heran, bei ſchwerer Arbeit und grober
Koſt, theilte, ſobald er es vermochte, den ſauer
erworbnen kärglichen Lohn mit ſeiner Mutter, die
mit ihm Haus hielt, und die er herzlich liebte und
ehrte, und führte ſo ein dunkles, kümmerliches Leben,
bis in ſein zwanzigſtes Jahr.
Die ſchwere Arbeit am Ambos mochte dem
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/206>, abgerufen am 27.11.2024.
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