Tagen Christi naher Vorzeit, sie tragen so ganz den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptsache allen Glauben zu versagen, wenn gleich sich Gründe finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß zum Beispiel folgender Brief gerade vom Consul Lentulus geschrieben sey, welcher fünf und zwanzig Jahre nach Christi Geburt lebte, und ihn persönlich gekannt haben konnte. Jch lasse diesen Brief um so lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des Hemlingschen Christuskopfes weit besser beschreibt als ich es vermöchte.
Brief des Consul Lentulus.
Es hat sich bei uns hervorgethan und lebt noch ein Mensch von vielen Tugenden, den man Jesus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von seinen Jüngern aber Sohn Gottes genannt wird. Dieser erwecket die Todten und heilet die Kranken. Er ist ansehnlich, lang von Wuchs und von solchem Ansehen, daß ihn Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche
Tagen Chriſti naher Vorzeit, ſie tragen ſo ganz den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptſache allen Glauben zu verſagen, wenn gleich ſich Gründe finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß zum Beiſpiel folgender Brief gerade vom Conſul Lentulus geſchrieben ſey, welcher fünf und zwanzig Jahre nach Chriſti Geburt lebte, und ihn perſönlich gekannt haben konnte. Jch laſſe dieſen Brief um ſo lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des Hemlingſchen Chriſtuskopfes weit beſſer beſchreibt als ich es vermöchte.
Brief des Conſul Lentulus.
Es hat ſich bei uns hervorgethan und lebt noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man Jeſus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von ſeinen Jüngern aber Sohn Gottes genannt wird. Dieſer erwecket die Todten und heilet die Kranken. Er iſt anſehnlich, lang von Wuchs und von ſolchem Anſehen, daß ihn Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0202"n="190"/><lb/>
Tagen Chriſti naher Vorzeit, ſie tragen ſo ganz<lb/>
den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es<lb/>
beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptſache<lb/>
allen Glauben zu verſagen, wenn gleich ſich Gründe<lb/>
finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß<lb/>
zum Beiſpiel folgender Brief gerade vom Conſul<lb/>
Lentulus geſchrieben ſey, welcher fünf und zwanzig<lb/>
Jahre nach Chriſti Geburt lebte, und ihn perſönlich<lb/>
gekannt haben konnte. Jch laſſe dieſen Brief um<lb/>ſo lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des<lb/>
Hemlingſchen Chriſtuskopfes weit beſſer beſchreibt<lb/>
als ich es vermöchte.</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Brief des Conſul Lentulus</hi>.</hi></head><lb/><p>Es hat ſich bei uns hervorgethan und lebt<lb/>
noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man<lb/>
Jeſus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet<lb/>
der Wahrheit, von ſeinen Jüngern aber Sohn<lb/>
Gottes genannt wird. Dieſer erwecket die Todten<lb/>
und heilet die Kranken. Er iſt anſehnlich, lang<lb/>
von Wuchs und von ſolchem Anſehen, daß ihn<lb/>
Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[190/0202]
Tagen Chriſti naher Vorzeit, ſie tragen ſo ganz
den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es
beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptſache
allen Glauben zu verſagen, wenn gleich ſich Gründe
finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß
zum Beiſpiel folgender Brief gerade vom Conſul
Lentulus geſchrieben ſey, welcher fünf und zwanzig
Jahre nach Chriſti Geburt lebte, und ihn perſönlich
gekannt haben konnte. Jch laſſe dieſen Brief um
ſo lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des
Hemlingſchen Chriſtuskopfes weit beſſer beſchreibt
als ich es vermöchte.
Brief des Conſul Lentulus.
Es hat ſich bei uns hervorgethan und lebt
noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man
Jeſus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet
der Wahrheit, von ſeinen Jüngern aber Sohn
Gottes genannt wird. Dieſer erwecket die Todten
und heilet die Kranken. Er iſt anſehnlich, lang
von Wuchs und von ſolchem Anſehen, daß ihn
Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/202>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.