von den alten Meistern selbst, welche die altdeutsche Schule stifteten und verherrlichten, etwas zu er- fahren, da ich mit Vorliebe an dem einfachen Leben und dem schönen ernsten Streben unsrer Vorfahren hange, und mich gern zurück in jene gemüthreiche sinnvolle Zeit versetze, in der sie lebten und wirkten. Die Überzeugung, daß wohl Manche, besonders meines Geschlechts, dies Gefühl mit mir theilen, veranlaßte mich in diesen Blättern schmucklos, wahr und treu aufzuzeichnen, was ich von dem Leben und den Werken jener Meister in Erfahrung bringen konnte. Doch bleibt mir dabei die Anmaßung fern, für gelehrte Kunstkenner schreiben zu wollen, denen sowohl die Quellen, aus welchen ich schöpfen konnte, als die, welche, meiner Jndividualität nach, mir verschlossen bleiben mußten, offen und zugänglicher sind als mir. Jch schreibe nur für meines Gleichen: für Frauen, welche, wie ich, die deutsche Kunst lieb gewannen, höchstens für Kunstfreunde, deren übrige Verhältnisse ihnen nicht erlauben der Kunstgeschichte ihres Vaterlandes ein eignes tieferes Studium zu weihen.
von den alten Meiſtern ſelbſt, welche die altdeutſche Schule ſtifteten und verherrlichten, etwas zu er- fahren, da ich mit Vorliebe an dem einfachen Leben und dem ſchönen ernſten Streben unſrer Vorfahren hange, und mich gern zurück in jene gemüthreiche ſinnvolle Zeit verſetze, in der ſie lebten und wirkten. Die Überzeugung, daß wohl Manche, beſonders meines Geſchlechts, dies Gefühl mit mir theilen, veranlaßte mich in dieſen Blättern ſchmucklos, wahr und treu aufzuzeichnen, was ich von dem Leben und den Werken jener Meiſter in Erfahrung bringen konnte. Doch bleibt mir dabei die Anmaßung fern, für gelehrte Kunſtkenner ſchreiben zu wollen, denen ſowohl die Quellen, aus welchen ich ſchöpfen konnte, als die, welche, meiner Jndividualität nach, mir verſchloſſen bleiben mußten, offen und zugänglicher ſind als mir. Jch ſchreibe nur für meines Gleichen: für Frauen, welche, wie ich, die deutſche Kunſt lieb gewannen, höchſtens für Kunſtfreunde, deren übrige Verhältniſſe ihnen nicht erlauben der Kunſtgeſchichte ihres Vaterlandes ein eignes tieferes Studium zu weihen.
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von den alten Meiſtern ſelbſt, welche die altdeutſche
Schule ſtifteten und verherrlichten, etwas zu er-
fahren, da ich mit Vorliebe an dem einfachen Leben
und dem ſchönen ernſten Streben unſrer Vorfahren
hange, und mich gern zurück in jene gemüthreiche
ſinnvolle Zeit verſetze, in der ſie lebten und wirkten.
Die Überzeugung, daß wohl Manche, beſonders
meines Geſchlechts, dies Gefühl mit mir theilen,
veranlaßte mich in dieſen Blättern ſchmucklos, wahr
und treu aufzuzeichnen, was ich von dem Leben und
den Werken jener Meiſter in Erfahrung bringen
konnte. Doch bleibt mir dabei die Anmaßung fern,
für gelehrte Kunſtkenner ſchreiben zu wollen, denen
ſowohl die Quellen, aus welchen ich ſchöpfen konnte,
als die, welche, meiner Jndividualität nach, mir
verſchloſſen bleiben mußten, offen und zugänglicher
ſind als mir. Jch ſchreibe nur für meines Gleichen:
für Frauen, welche, wie ich, die deutſche Kunſt lieb
gewannen, höchſtens für Kunſtfreunde, deren übrige
Verhältniſſe ihnen nicht erlauben der Kunſtgeſchichte
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/17>, abgerufen am 27.11.2024.
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