Rogier van Brügge, der zweite seiner Schüler, welchem Johann van Eyck das Geheimniß der Ölmalerei entdeckte, ward ein großer allgeach- teter Meister seiner Zeit. Er malte nach der Art seines hohen Lehrers in Eiweiß, Leimfarben und Öl; letztere Art die Farben zu bereiten war von nun an kein Geheimniß mehr, und verbreitete sich bald allgemein in den Niederlanden wie in Jtalien. Rogier war ein trefflicher Zeichner; der Ausdruck und die Anmuth, welche er seinen Gestalten zu geben wußte, verschafften ihm die allgemeine Be- wunderung seiner Zeitgenossen. Er malte meisten- theils sehr große Gegenstände in Lebensgröße und war vermuthlich einer der ersten, die sich der Lein- wand, statt hölzerner Tafeln, bei ihren Gemälden bedienten. Denn die auch in jenen Tagen allge- waltige Mode brachte große bemalte Decken als einen seltnen Gegenstand des Luxus auf, mit denen die Wände großer Säle in Pallästen und in öffent- lichen Gebäuden geschmückt wurden, statt der sonst
Rogier van Bruͤgge.
Rogier van Brügge, der zweite ſeiner Schüler, welchem Johann van Eyck das Geheimniß der Ölmalerei entdeckte, ward ein großer allgeach- teter Meiſter ſeiner Zeit. Er malte nach der Art ſeines hohen Lehrers in Eiweiß, Leimfarben und Öl; letztere Art die Farben zu bereiten war von nun an kein Geheimniß mehr, und verbreitete ſich bald allgemein in den Niederlanden wie in Jtalien. Rogier war ein trefflicher Zeichner; der Ausdruck und die Anmuth, welche er ſeinen Geſtalten zu geben wußte, verſchafften ihm die allgemeine Be- wunderung ſeiner Zeitgenoſſen. Er malte meiſten- theils ſehr große Gegenſtände in Lebensgröße und war vermuthlich einer der erſten, die ſich der Lein- wand, ſtatt hölzerner Tafeln, bei ihren Gemälden bedienten. Denn die auch in jenen Tagen allge- waltige Mode brachte große bemalte Decken als einen ſeltnen Gegenſtand des Luxus auf, mit denen die Wände großer Säle in Palläſten und in öffent- lichen Gebäuden geſchmückt wurden, ſtatt der ſonſt
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Rogier van Bruͤgge.
Rogier van Brügge, der zweite ſeiner
Schüler, welchem Johann van Eyck das Geheimniß
der Ölmalerei entdeckte, ward ein großer allgeach-
teter Meiſter ſeiner Zeit. Er malte nach der Art
ſeines hohen Lehrers in Eiweiß, Leimfarben und
Öl; letztere Art die Farben zu bereiten war von
nun an kein Geheimniß mehr, und verbreitete ſich
bald allgemein in den Niederlanden wie in Jtalien.
Rogier war ein trefflicher Zeichner; der Ausdruck
und die Anmuth, welche er ſeinen Geſtalten zu
geben wußte, verſchafften ihm die allgemeine Be-
wunderung ſeiner Zeitgenoſſen. Er malte meiſten-
theils ſehr große Gegenſtände in Lebensgröße und
war vermuthlich einer der erſten, die ſich der Lein-
wand, ſtatt hölzerner Tafeln, bei ihren Gemälden
bedienten. Denn die auch in jenen Tagen allge-
waltige Mode brachte große bemalte Decken als
einen ſeltnen Gegenſtand des Luxus auf, mit denen
die Wände großer Säle in Palläſten und in öffent-
lichen Gebäuden geſchmückt wurden, ſtatt der ſonſt
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/116>, abgerufen am 25.11.2024.
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