mehren gedenke. Es ist doch nichts so schön, als Verstand haben; und nichts so sicher, in itzigen Zeiten dazu zu gelangen, als keine gesunde Vernunft zu haben. Wie wären sonst die göttlichen Männer, ein B = = ein Br = = ein Kl = = und andere dieser Größe zu dem Ruhme gelan- get, den sie doch unwidersprechlich besitzen? Ein Blick in die Schriften dieser heili- gen Männer ist mir wie ein Blick in die goldenen Zeiten,* wo noch ein Vers etwas galt, der nach Bisem und Ambra roch. Jch ärgere mich recht, und ich sage es hiemit zur Schande meines Vaterlan- des: ich gräme mich recht, daß man auf dem Lande noch so spricht, als man vor je- nen zehen Jahren in den Städten sprach; und so dichtet, wie unsere lieben Alten dich- teten. Die lieben Alten! Sie waren nur die Zwerge, auf denen wir, Riesen, stehen. Kein Wunder, daß wir sie zu Grunde ge-
treten
* Siehe den 55sten der critischen Briefe.
Vorrede.
mehren gedenke. Es iſt doch nichts ſo ſchoͤn, als Verſtand haben; und nichts ſo ſicher, in itzigen Zeiten dazu zu gelangen, als keine geſunde Vernunft zu haben. Wie waͤren ſonſt die goͤttlichen Maͤnner, ein B = = ein Br = = ein Kl = = und andere dieſer Groͤße zu dem Ruhme gelan- get, den ſie doch unwiderſprechlich beſitzen? Ein Blick in die Schriften dieſer heili- gen Maͤnner iſt mir wie ein Blick in die goldenen Zeiten,* wo noch ein Vers etwas galt, der nach Biſem und Ambra roch. Jch aͤrgere mich recht, und ich ſage es hiemit zur Schande meines Vaterlan- des: ich graͤme mich recht, daß man auf dem Lande noch ſo ſpricht, als man vor je- nen zehen Jahren in den Staͤdten ſprach; und ſo dichtet, wie unſere lieben Alten dich- teten. Die lieben Alten! Sie waren nur die Zwerge, auf denen wir, Rieſen, ſtehen. Kein Wunder, daß wir ſie zu Grunde ge-
treten
* Siehe den 55ſten der critiſchen Briefe.
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0008"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">mehren gedenke.</hi> Es iſt doch nichts ſo<lb/>ſchoͤn, als Verſtand haben; und nichts ſo<lb/>ſicher, in itzigen Zeiten dazu zu gelangen,<lb/>
als keine geſunde Vernunft zu haben.<lb/>
Wie waͤren ſonſt die <hirendition="#fr">goͤttlichen Maͤnner,</hi><lb/>
ein <hirendition="#fr">B</hi> = = ein <hirendition="#fr">Br</hi> = = ein <hirendition="#fr">Kl</hi> = = und<lb/>
andere dieſer Groͤße zu dem Ruhme gelan-<lb/>
get, den ſie doch unwiderſprechlich beſitzen?<lb/><hirendition="#fr">Ein Blick in die Schriften dieſer heili-<lb/>
gen Maͤnner iſt mir wie ein Blick in<lb/>
die goldenen Zeiten,</hi><noteplace="foot"n="*">Siehe den 55ſten der critiſchen Briefe.</note> wo noch ein Vers<lb/>
etwas galt, der nach <hirendition="#fr">Biſem</hi> und <hirendition="#fr">Ambra</hi><lb/>
roch. Jch aͤrgere mich recht, und ich ſage<lb/>
es hiemit zur Schande meines Vaterlan-<lb/>
des: ich graͤme mich recht, daß man auf<lb/>
dem Lande noch ſo ſpricht, als man vor je-<lb/>
nen zehen Jahren in den Staͤdten ſprach;<lb/>
und ſo dichtet, wie unſere lieben Alten dich-<lb/>
teten. Die lieben Alten! Sie waren nur<lb/>
die Zwerge, auf denen wir, Rieſen, ſtehen.<lb/>
Kein Wunder, daß wir ſie zu Grunde ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">treten</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[0008]
Vorrede.
mehren gedenke. Es iſt doch nichts ſo
ſchoͤn, als Verſtand haben; und nichts ſo
ſicher, in itzigen Zeiten dazu zu gelangen,
als keine geſunde Vernunft zu haben.
Wie waͤren ſonſt die goͤttlichen Maͤnner,
ein B = = ein Br = = ein Kl = = und
andere dieſer Groͤße zu dem Ruhme gelan-
get, den ſie doch unwiderſprechlich beſitzen?
Ein Blick in die Schriften dieſer heili-
gen Maͤnner iſt mir wie ein Blick in
die goldenen Zeiten, * wo noch ein Vers
etwas galt, der nach Biſem und Ambra
roch. Jch aͤrgere mich recht, und ich ſage
es hiemit zur Schande meines Vaterlan-
des: ich graͤme mich recht, daß man auf
dem Lande noch ſo ſpricht, als man vor je-
nen zehen Jahren in den Staͤdten ſprach;
und ſo dichtet, wie unſere lieben Alten dich-
teten. Die lieben Alten! Sie waren nur
die Zwerge, auf denen wir, Rieſen, ſtehen.
Kein Wunder, daß wir ſie zu Grunde ge-
treten
* Siehe den 55ſten der critiſchen Briefe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/8>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.